Ein Schild weist auf die 2G Plus Regel in einem Café im Ostseebad auf Rügen hin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Stefan Sauer/dpa)

Medizinische Fachangestellte (MFA) bleiben nach Einschätzungen aus der Gesundheitsbranche händeringend gesucht.

Unter den Ausbildungsberufen bei Frauen lag die MFA nach den Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) im vergangenen Jahr auf Platz eins. Dennoch suchen viele Arztpraxen vergeblich, wenn eine Stelle zu besetzen ist. «Ich glaube, dass sich die Situation nicht kurzfristig entspannen wird. Sie ist ein Versäumnis sehr vieler Jahre», sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Deutschen Presse-Agentur. «Die Ausbildung zur MFA ist glücklicherweise sehr beliebt, insofern gibt es Nachwuchs, aber wir haben auch riesigen Bedarf.»

«Es ist schon jetzt so, dass manche Arztpraxen Stellen für MFA nicht besetzen können», sagte Gassen. «Wenn es wirklich eng wird, muss zum Teil jemand aus der Familie einspringen und sitzt dann am Telefon.» Die einrichtungsbezogene Impfpflicht werde die Situation auf jeden Fall verschärfen. Ein Teil der Mitarbeiter im Pflegebereich und unter Umständen auch in den Praxen werde sich nicht impfen lassen. «Und das hat auch versorgungsrelevante Folgen, wenn plötzlich Arztpraxen in bestimmten Bereichen zumachen.»

Das Bundesverfassungsgericht hatte zuletzt im Eilverfahren grünes Licht für die pünktliche Umsetzung der Corona-Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal Mitte März gegeben. Die umfassende Prüfung von Verfassungsbeschwerden steht aber noch aus. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte davor, «dass Zehntausende ungeimpfte Mitarbeiter ausfallen werden».

Laut Bundesagentur für Arbeit haben sich aus dem Gesundheits- und Sozialsektor im Dezember und Januar 25.000 mehr Menschen arbeitssuchend gemeldet als üblich. Eine Sprecherin erklärte jüngst, dass es in verschiedenen sozialen Medien Aufrufe gegeben habe, sich schon vor Inkrafttreten der Impfpflicht arbeitssuchend zu melden.

Ähnlich wie Gassen schätzt auch die Zweite Vorsitzende im Verband medizinischer Fachberufe (VMF), Stephanie Schreiber, die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ein: «Was auffällt ist, dass es sehr lange dauert, freie Stellen zu besetzen», sagte sie. «Zum Teil suchen Praxen monatelang, bis sich jemand auf eine Stelle bewirbt. Das Problem verschärft sich noch, davon sind wir überzeugt.»

Von den rund 407.000 ausgebildeten MFA in Deutschland seien etwa 330.000 in Arztpraxen beschäftigt. «Es gibt aber viele MFA, die gucken, dass sie entweder in die Krankenhäuser gehen oder in die ambulante Pflege, weil sie da zum Teil deutlich weniger Stress haben oder das Gehalt höher ist», sagte Schreiber, die selbst ausgebildete MFA ist.

Laut Gassen gibt es um die MFA einen intensiven Wettbewerb. «Wir haben mittlerweile eine Situation, dass Krankenhäuser massiv Arzthelferinnen abwerben. Leider haben wir einen strukturellen Wettbewerbsnachteil in den Praxen, weil die gesetzlichen Krankenkassen die umfassende Lohnerhöhung aus dem vergangenen Jahr nicht als gestiegene Kosten in vollem Umfang gegenfinanzieren wollen», sagte Gassen. «Das heißt, die Arztpraxen können diese höheren Gehälter nur sehr schwer bezahlen. Das verschärft das Problem zusätzlich.»

Mit Blick auf die Krankenhäuser werde in der Pandemie immer wieder von deren Bedeutung für die Gesundheitsversorgung gesprochen, die Praxen würden aber nicht in gleichem Umfang wahrgenommen, so der KBV-Vorsitzende. «Wir hätten erwartet, dass es auch für sie einen staatlichen Corona-Bonus gibt.»

Auch Schreiber kritisiert, dass für MFA kein Sonderbonus vorgesehen sei. «Ein ganz großes Problem ist die fehlende Wertschätzung von der Politik, von der Gesellschaft und jetzt in der Pandemie auch von den Patienten», sagte sie. Ein Teil von ihnen werde zunehmend fordernd und aggressiv. «Die Kolleginnen werden angegriffen, verbal, zum Teil auch körperlich.» Von der Politik fühlten sich die MFA enttäuscht und alleine gelassen. «Man hat das Gefühl, die ambulante Regelversorgung ist völlig aus dem Blick, die wird nicht wahrgenommen.»

Dabei werde der Großteil der Covid-Patienten ambulant behandelt. Der Stress hat nach Schreibers Beobachtung noch zugenommen, zum Beispiel durch zusätzliche Aufgaben beim Impfen. Aber auch durch die Umsetzung der Teststrategie, die notwendige Umorganisationen der Sprechstunden und die unzuverlässige Liefermenge der wöchentlich zu bestellenden Impfdosen hätten sich extrem viele Überstunden angesammelt. «Es gibt Kolleginnen, die früher anfangen, später aufhören und keine Mittagspause mehr haben.»

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