Seit Jahren wird in Brüssel an der Kapitalmarktunion gearbeitet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Boris Roessler/dpa)

Pläne für ein Zusammenwachsen der europäischen Kapital- und Finanzmärkte könnten nach Jahren ohne große Fortschritte vorankommen. Wie aus einem Entwurf für die Abschlusserklärung eines Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der EU am Mittwoch und diesem Donnerstag in Brüssel hervorgeht, soll unter anderem die Entwicklung grenzüberschreitender Anlage- und Sparprodukte beschleunigt werden.

Hintergrund für die Pläne zur Kapitalmarktunion ist unter anderem, dass jährlich rund 300 Milliarden Euro an Ersparnissen europäischer Bürger ins Ausland umgeleitet werden – vor allem in die USA. Das geht aus einem Sonderbericht des früheren italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta hervor, der bei dem Gipfeltreffen diskutiert werden soll. Die EU möchte, dass mehr Kleinanleger an den hiesigen Finanzmärkten investieren, damit mehr Kapital für den grünen und digitalen Wandel zur Verfügung steht.

Es müsse alle Energie in die finanzielle Unterstützung der Transformation gesteckt werden, heißt es in Lettas Bericht weiter. Dafür müsse als erste Priorität mehr Geld von Privatpersonen und Firmen mobilisiert werden. 33 Billionen Euro an privaten Ersparnissen sind dem Bericht zufolge in der EU vorhanden – überwiegend in Bargeld und Einlagen. «Dieser Reichtum wird jedoch nicht in vollem Umfang genutzt, um den strategischen Bedarf der EU zu decken», heißt es weiter. 

Dem Entwurf der Abschlusserklärung zufolge soll auch das Finanz-Allgemeinwissen von Bürgerinnen und Bürgern gestärkt werden. Wer über mehr Wissen und Know-how verfügt, investiert eher, so die Hoffnung. Eine Umfrage der EU-Kommission hatte im vergangenen Sommer ergeben, dass nur jeder Zweite in der EU über durchschnittliches Finanzwissen verfüge. Bei der Umfrage wurde auch ein geschlechtsspezifisches Gefälle von Männern zu Frauen deutlich. 

Unklar war bis Donnerstag, ob die 27 EU-Länder sich auch auf eine gemeinsame Position zu zwei Hauptstreitpunkten verständigen können. Dabei geht es um Pläne für eine Harmonisierung der nationalen Regeln für Unternehmensinsolvenzen und eine verbesserte zentrale Aufsicht über die Kapitalmärkte in der EU. Frankreich etwa will eine stärkere Rolle der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) mit Sitz in Paris. Auch Letta spricht sich in seinem Bericht für eine schrittweise Ausweitung der Kompetenzen der Behörde aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich zuletzt nach bisheriger Zurückhaltung Deutschlands in dieser Frage kompromissbereit gezeigt, Bundesfinanzminister Christian Lindner gilt hingegen als Gegner.

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