Glasflaschen mit Altfett, CVO (CVO Cracked Vegetable Oil) und Diesel aus Altfett stehen im Technikum im Bereich Verfahrenstechnik am Campus Life Sciences der HAW. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Georg Wendt/dpa)

Mit Kraftstoffen aus Abfällen das Klima schonen – das ist das Projekt von Forschern der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg-Bergedorf. In einer Pilotanlage stellen sie Bio-Rohöl und künstlichen Diesel aus Altspeisefetten her. Mit dem klimaneutralen Kraftstoff könnten ohne weiteres herkömmliche Autos und Lastwagen betankt werden, sagt Projektleiter Thomas Willner. Für die Herstellung von einem Liter Kraftstoff benötige die Anlage eine Kilowattstunde Strom. Um ein Auto 100 Kilometer weit fahren zu lassen, seien also rund 5 Kilowattstunden Strom nötig. Ein Elektroauto verbrauche dagegen auf dieser Strecke etwa 15 Kilowattstunden, sagt Willners Kollegin Anika Sievers.

Künstliche Kraftstoffe sind keine neue Idee. Der finnische Konzern Neste produziert hydriertes Pflanzenöl bereits in großen Raffinerien in Rotterdam, Singapur und im finnischen Porvoo. Bis 2025 könnten nach Branchenschätzungen 30 Millionen Tonnen im Jahr produziert werden, sagt Willner. Das Besondere an seinem Projekt READi-PtL (Reactive Distillation Power to Liquid – Reaktivdestillation Energie zu Flüssigkeit) ist die Effizienz: Eine Anlage zur Produktion von einigen Tausend Tonnen Kraftstoff könne direkt neben einem Entsorgungsbetrieb aufgebaut werden und wirtschaftlich arbeiten.

Altes Speisefett aus der Mensa

Tatsächlich ist das bereits geplant. Die Firma Nexxoil will eine erste Produktionsstätte bis Ende des Jahres im Raum Hamburg bauen, eine zweite im kommenden Jahr in Bayern, wie Geschäftsführer Thorsten Dunker sagt. Ein weiterer Kooperationspartner des Hamburger Hochschulprojekts ist das schleswig-holsteinische Entsorgungsunternehmen KBS. Es liefert zurzeit die Altfette, aus denen Willner und Sievers etwa zwei Tonnen Kraftstoff in der Woche herstellen.

In der Werkhalle auf dem Hamburger Campus stehen mehrere große Kunststoffbehälter, etwa einen Meter hoch. Sie enthalten altes Speisefett aus der Mensa der Hochschule. In einem Tank der Anlage, die in einem blauen Standardcontainer untergebracht ist, wird es vorgewärmt und gut durchgerührt (homogenisiert). Das flüssige Fett wird in einen Reaktor gepumpt. Das zylinderartige Gerät, etwa anderthalb Meter groß, ist in einem Container darüber montiert.

Bei einer Temperatur von 350 bis 400 Grad werden die relativ großen Kohlenwasserstoff-Moleküle des Fetts «gecrackt», also aufgebrochen, erläutert Sievers. Schließlich verdampfen die Moleküle und werden in einem Kondensator wieder abgekühlt. In einer ersten Stufe entsteht das Bio-Rohöl. In einer zweiten Stufe werden Grundstoffe erzeugt, die in der chemischen Industrie genutzt werden können. Allerdings müssten die Moleküle vorher «designed» werden, sagt Willner. Das machen die Forscher, indem sie Wasserstoff hinzugeben.

Nebenbei bilden sich im Reaktor Gase wie Methan, Ethan und Propan, die künftig zum Erwärmen der Anlage genutzt werden sollen. «Der Prozess könnte autark laufen», sagt Willner. Übrig bleibt eine Art Kohle, die als Bodenverbesserer in die Erde eingebracht werden könne und damit CO2 langfristig binde. Außerdem bleibe Abwasser zurück, aus dem noch Biogas gewonnen werden könne. Künftig wollen die Hamburger Verfahrenstechniker Plastikabfälle als Rohstoff für ihren klimaneutralen Erdölersatz nutzen.

Sogenannte E-Fuels können auch auf eine andere Art aus Synthesegas hergestellt werden. Bei diesem Verfahren wird Kohlendioxid aus der Luft genutzt, um ein Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff zur Weiterverarbeitung zu gewinnen. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie nutzen die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese zur Produktion von E-Fuels. Kritiker bemängeln allerdings einen hohen Strombedarf des Verfahrens. Doch nach Ansicht von Willner ist dieser Weg sinnvoll, etwa in Ländern mit hohem Überschuss an Solarenergie wie Saudi-Arabien.

Kritik von Greenpeace

Greenpeace warf Bundesverkehrsminister Volker Wissing kürzlich vor, er und seine FDP weckten «mit ihren E-Fuels-Märchen falsche Hoffnungen mit fatalen Folgen für Industrie und Klima». Sievers sagt dagegen: «Verbrenner werden noch lange da sein.» Es gehe darum, alle Fahrzeuge am Klimaschutz zu beteiligen. Die Professorin ist überzeugt: «Das könnten wir durch den Kraftstoff, den wir hier produzieren, unmittelbar erreichen.»

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank zeigte sich bei der offiziellen Eröffnung der Anlage im Februar begeistert: «Nachhaltige Kraftstoffe sind ein wichtiger Baustein, um zukünftig von fossilen Brennstoffen unabhängig zu werden», sagte die Grünen-Politikerin.

Von Bernhard Sprengel, dpa

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