Tiktok droht dann eine Verbannung aus amerikanischen App Stores. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Für Tiktok wird es ernst: Ein US-Gesetz, das einen Eigentümerwechsel bei der populären Kurzvideo-App erzwingen soll, könnte in wenigen Tagen in Kraft treten. Tiktok droht dann eine Verbannung aus amerikanischen App Stores, wenn die App ein Jahr später weiter dem aktuellen Besitzer Bytedance gehören sollte.

Das US-Abgeordnetenhaus stimmte am Samstag erneut für das bereits im März angenommene Gesetz. Diesmal ist es aber mit anderen Maßnahmen gebündelt, vor allem mit den Milliardenhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan. Dies dürfte dafür sorgen, dass das gesamte Gesetzespaket schnell durch den Senat als zweite Kongresskammer kommt und Präsident Joe Biden es danach unterzeichnet. Mit einer Abstimmung im Senat wird ab Dienstag gerechnet. Unklar ist allerdings, ob wie in früheren Fällen US-Gerichte die Pläne torpedieren könnten.

Bytedance wird in den USA parteiübergreifend als chinesisches Unternehmen gesehen, das sich entsprechend dem Willen der Kommunistischen Partei Chinas beugen müsse. Deshalb wird gewarnt, chinesische Behörden könnten sich in großem Stil Zugriff auf Daten amerikanischer Nutzer verschaffen – und die Plattform auch für politische Einflussnahme nutzen. Tiktok bestreitet dies seit Jahren, findet in der US-Politik aber kein Gehör.

Nach der ersten Version hätte Bytedance sechs Monate, sich von Tiktok zu trennen. Das wurde zum Teil als zu kurz kritisiert. Der neue Entwurf sieht eine Frist von neun Monaten für einen Verkauf vor. Biden kann diese noch um drei Monate erweitern. Die Verlängerung würde den Showdown zumindest hinter die Präsidentenwahl Anfang November verlegen.

Demokraten in der Zwickmühle

Bidens Demokraten bringt das Gesetz in eine Zwickmühle: Denn zum einen will der Präsident eine harte Position gegenüber China einnehmen, zum anderen ist die App bei jungen Nutzern populär, deren Stimmen er für eine Wiederwahl im November braucht. Bidens Wahlkampf-Team eröffnete erst in diesem Jahr selbst einen Tiktok-Account.

«Es ist bedauerlich, dass das US-Repräsentantenhaus den Deckmantel wichtiger ausländischer und humanitärer Hilfe nutzt, um wieder einmal ein Verbotsgesetz durchzudrücken, das die Rechte auf freie Meinungsäußerung von 170 Millionen Amerikanern mit Füßen tritt, 7 Millionen Unternehmen ruiniert und eine Plattform stilllegen würde, die jährlich 24 Milliarden Dollar zur US-Wirtschaft beiträgt», kritisierte eine Tiktok-Sprecherin die Entscheidung am Wochenende.

Tiktok betont, man sehe sich nicht als Tochter eines chinesischen Unternehmens. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik. Kritiker kontern, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent die Kontrolle dank höherer Stimmrechte hielten und Bytedance eine große Zentrale in Peking habe.

Tiktok wollte die US-Regierung mit einem Plan umstimmen, bei dem Daten amerikanischer Nutzer in den USA gelagert und der Zugang dazu sowie der Software-Code der App kontrolliert werden sollen. Doch das «Project Texas» half nicht. In Europa gibt es eine ähnliche Initiative mit der Datenspeicherung in Irland. Der Dienst ist die einzige global erfolgreiche Online-Plattform, die nicht aus den USA stammt.

170 Millionen Nutzer in den USA

Tiktok hat nach eigenen Angaben 170 Millionen Nutzer in den USA. Schon Donald Trump versuchte während seiner Amtszeit als US-Präsident, mit Verbotsdrohungen einen Verkauf des US-Geschäfts von Tiktok an amerikanische Investoren durchzusetzen.

Doch das Vorhaben scheiterte vor allem daran, dass US-Gerichte in den Plänen für ein Tiktok-Verbot einen Verstoß gegen die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit vermuteten. Auch ein aktuelles Gesetz im Bundesstaat Montana, das Tiktok dort aus den App-Stores verbannen sollte, liegt deswegen auf Eis.

Trump ist inzwischen von den Verbotsforderungen abgerückt. Tiktok sei ein wichtiges Gegengewicht zu Facebook, das er als einen «Feind des Volkes» betrachte, sagte der Ex-Präsident in einem Interview.

Tiktok-Chef Shou Chew will sich gegen das US-Gesetz wehren. Das Unternehmen werde alles Mögliche unternehmen und rechtliche Mittel einsetzen, um die Plattform zu verteidigen, sagte er. Tiktok beharrt darauf, dass das Ziel des Gesetzes ein Verbot der App in den USA sei.

Wer könnte Tiktok kaufen?

Wer Tiktok kaufen könnte, ist unklar. Die großen Tech-Konzerne dürften aus Wettbewerbsgründen nicht infrage kommen. Der ehemalige US-Finanzminister Steven Mnuchin gab bereits im März bekannt, er organisiere eine Investorengruppe für den Kauf von Tiktok. Sein Plan ist, die App in den USA mit US-Technologie neu zu programmieren.

Der am Samstag von Repräsentantenhaus gebilligte Entwurf enthält noch weitere Punkte, darunter auch Iran-Sanktionen. Er sieht außerdem die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte vor. Der Text weist Biden an, einen Ukraine-Unterstützungsfonds einzurichten. Biden soll demnach mit Partnern zusammenarbeiten, um einen Mechanismus zu entwickeln, der es möglich macht, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu verwenden. Insgesamt handelt es sich um mehrere hundert Milliarden US-Dollar. Vor allem die USA haben zuletzt immer wieder Druck gemacht, die russischen Vermögen stärker zu nutzen. Die europäischen G7-Staaten, darunter Deutschland, sehen das kritisch. Die USA kontrollieren nur einen winzigen Bruchteil des eingefrorenen Vermögens. Der Großteil liegt in der Europäischen Union.

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