Lange Zeit konnte man es überhaupt nicht besuchen, zwischendurch nur zu festgelegten Terminen, und dann machte Jas de Bouffan erst mal für mehrere Jahre ganz dicht: Eine große Instandsetzung startete 2017, und Kunstfans warteten fiebrig, Jas de Bouffan endlich wieder besuchen zu können.
Jetzt ist es soweit, auch wenn bisher nicht alle Arbeiten abgeschlossen sind: Das alte Familienanwesen der Cézannes darf öffentlich wieder betreten werden. «Wir haben aufwendig renoviert», sagt Elodie L’Huillier, die sich als Kulturbeauftragte um Jas de Bouffan kümmert.
Über 40 Jahre lebte hier Paul Cézanne, wenn er nicht in Paris war. Das Haus war eine seiner wichtigsten Wirkungsstätten. Während der Renovierung wurden im Grand Salon weitere Fragmente von Wandmalereien von Cézanne entdeckt. Eine «große Überraschung», sagt L’Huillier – wenngleich bereits bekannt war, dass Cézanne als 20-Jähriger die Wohnzimmerwände bepinselte.
Blickwinkel von damals
Einige Gemälde entstanden im großzügigen Garten des Landhauses. «Man erkennt sogar noch seine Blickwinkel von damals», sagt L’Huillier und zeigt Bilder, die das Haus im Grünen darstellen. Bis der weitläufige Park gärtnerisch wieder hergestellt ist, dauert es noch. Und dennoch, kneift man die Augen zusammen, möchte man Cézanne unter den Platanen an der Staffelei den Pinsel schwingen sehen.
Überhaupt übt Aix-en-Provence als Heimat des bekannten Malers noch heute eine große Anziehungskraft aus. «Wegen Cézanne bin ich überhaupt in die Provence gezogen», sagt zum Beispiel Mara McKillen. Die gebürtige Irin mit der markanten Designerbrille leitet Château La Coste, ein nahes Familienweingut.
Auf dem weitläufigen Gelände pilgern Kunstfans zu Skulpturen großer Bildhauer wie Damien Hirst oder Louise Bourgeois. «Der Name Cézanne zieht die Künstler an wie ein Magnet», sagt McKillen.
Und das bezieht sich offensichtlich auch auf Architekten. Das Landhaus stammt von 1682, aber in jüngerer Zeit kamen auf dem 200 Hektar großen Areal Gebäude der Stararchitekten Oscar Niemeyer, Norman Foster und Tadao Ando hinzu. Château La Coste versteht sich als Weingut, aber auch als ein Kunstzentrum.
Cézannes originale Utensilien
2025 zelebriert Aix nicht nur wegen des hergerichteten Jas de Bouffan als Cézanne-Jahr. Ein weiterer Cézanne-Ort ist nach gründlicher Sanierung ebenfalls wieder zugänglich: seine letzte feste Wirkungsstätte, das «Atelier des Lauves» im Norden der Stadt. Bis zu seinem Tod arbeitete er dort unermüdlich. Cézannes originale Utensilien können bestaunt werden: Da stehen Staffelei und Farbtöpfe, Pinsel und Paletten, als würden sie noch auf ihren Meister warten.
Auch in der Altstadt von Aix-en-Provence mit ihren prächtigen Palais und eleganten Fassaden entdeckt der Besucher überall Spuren des Wegbereiters der Moderne. «Wir gehen durch dieselben Straßen, die Cézanne auch nutzte», sagt Elodie Marie. Die Stadtführerin biegt in die Rue Cardinale ein und stoppt vor einer Schule.
«Das Collège Bourbon besuchte Cézanne gemeinsam mit seinem Freund Émile Zola, dem späteren Schriftsteller.» Zola zählt zu den großen Romanciers Frankreich und war auch Weggefährte von Guy de Maupassant. Cézanne porträtierte Zola, das Werk hängt heute im Musée Granet, das im Cézanne-Jahr eine große Ausstellung mit internationalen Leihgaben kuratiert hat. Das Thema: Cézanne im Jas de Bouffan.
Auf dem Boulevard Cours Mirabeau herrscht heute buntes Markttreiben. Ins Café «Les Deux Garçons», das später auch Picasso besuchte, kehrte schon Cézanne gerne ein. Nach einem Brand wird das Lokal, das unter Künstlern und Kreativen einen legendären Ruf genießt, restauriert.
Inmitten der quirligen Atmosphäre der vielen Straßencafés lässt sich aber auch so gut vorstellen, wie sich Cézanne und seine Kollegen einst trafen, tranken und dem Leben frönten. Es sind Szenen, wie auf seinem bekannten Gemälde «Die Kartenspieler».
Auf Cézannes Spuren wandern
Ein Haus weiter, wo sich heute eine Bankfiliale befindet, arbeitete der Vater des Malers als Hutmacher, bevor er ein wohlhabender Bankier wurde und das Anwesen Jas de Bouffan erwerben konnte.
Zu Beginn seiner Karriere schätzte Aix-en-Provence den berühmtesten Sohn der Stadt aber keineswegs. «Cézanne war kompromisslos, oftmals schwierig im Umgang und pflegte einen derben Ausdruck», sagt Elodie L’Huillier. Inzwischen ehrt ihn eine Bronzestatue nahe dem Brunnen La Rotonde: mit Hut, Wanderstock und Tornister auf dem Rücken, in eingefrorener Bewegung.
In dieser Montur wanderte der Freiluftmaler hinaus zu den Carrières de Bibémus, den Steinbrüchen vor den Toren der Stadt. Bei Führungen bewegen sich kunstsinnige Touristen auf Cézannes Wegen, hin zu kubistisch anmutenden Felsformationen.
«Früher wurden Steinquader aus der Landschaft gehauen und in der Stadt verbaut», sagt Gästeführerin Marie im Anblick der schier mystischen Gesteinswelt in Ocker.
Hier mietete der Maler ein einsames Häuschen, das noch existiert. In der Abgeschiedenheit schuf Cézanne Meisterwerke. Seine Pinselstriche vermählten Felsen mit Bäumen auf eine zuvor nie gekannte Weise. In seinen Bildern vom Steinbruch keimte eine Ahnung vom Kubismus.
Besessen vom Berg
Doch Cézannes berühmtestes Motiv ist der mythische Sainte-Victoire östlich von Aix. Besonders eindrucksvoll wirkt der Blick auf den schroffen Tafelberg vom Aussichtspunkt Jardin des Peintres. Oft kam der Maler zum Arbeiten hierher. Der Berg wurde ihm zur Obsession und ließ die Serie «Mont Sainte-Victoire» entstehen. Mindestens 44 Ölgemälde und 43 Aquarelle mit diesem Motiv zählen die Museen der Welt.
Heute kann man sich an dem Berg und anderen Motiven bei Mal-Workshops versuchen. «Cézannes Bilder im Kopf animieren zur Kreativität», findet eine Teilnehmerin, taucht ihren Pinsel in die Aquarellfarbe und lässt ihn über das Papier gleiten: «Dieses Sich-Verlieren ist wichtiger als das, was dabei herauskommt.»
Er, der Besessene, verlor sich ganz. 1906 holte Cézanne sich beim stundenlangen Arbeiten im Regen den Tod. Auf dem Friedhof Saint-Pierre leiten Metallschildchen mit einem großen C auf dem Boden zu Cézannes letzter Ruhestätte.
Die berührende Schlichtheit seines Grabes steht im krassen Gegensatz zu den schwindelerregenden Millionenbeträgen, die die Werke des Eigenbrötlers mittlerweile kosten. Die im ehemaligen Familienanwesen Jas de Bouffan entdeckten Wandgemälde dagegen dürften unverkäuflich sein.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Aix-en-Provence liegt in Südfrankreich nördlich von Marseille.
Anreise: Aix verfügt über einen TGV-Bahnhof, der mit Frankfurt am Main verbunden ist. Der nächstgelegene Flughafen ist Marseille.
Ausstellungen und Veranstaltungen: Zu den Feierlichkeiten «Cézanne 2025» laufen Sonderausstellungen im Jas de Bouffan, im Musée Granet (jeweils bis 12. Oktober), im Musée du Pavillon de Vendome (bis 2. November) und im Gallifet Centre d’Art (bis 28. September). Im Caumont Centre d’Art wird ein informativer Film über den Maler gezeigt.
Aktivitäten: Wander- und Radtouren führen in das Gebirge Sainte-Victoire. Die Bibémus-Steinbrüche können nur im Rahmen von Führungen besucht werden, die zu bestimmten Terminen bis in den Dezember auch Mal-Workshops im Programm haben; Teilnahmegebühr pro Person regulär: 55 Euro.
Weiterführende Informationen: aixenprovencetourism.comcezanne2025.com