Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck will in Europa wettbewerbsfähiger werden – und bis 2030 etwa 5.000 Stellen in Deutschland streichen. Das teilte das Unternehmen auf seinem Kapitalmarkttag im US-amerikanischen Charlotte (North Carolina) mit. Betroffen ist die zuletzt schwächelnde Marke Mercedes-Benz, die vor allem in Europa und Lateinamerika vertreten ist. Doch was sind die Gründe für das Sparprogramm?
Maue Nachfrage in Europa
Das schwache Wirtschaftsumfeld in Europa und insbesondere in Deutschland bremst das Dax-Unternehmen seit längerem aus. Konzernweit ging der Absatz 2024 um zwölf Prozent zurück, im ersten Halbjahr 2025 um knapp sieben. Bei Mercedes-Benz Trucks fiel das Minus deutlich stärker aus. Sowohl 2024 als auch zu Jahresbeginn verkaufte die Marke deutlich weniger Lkw. Im zweiten Quartal stabilisierte sich der Absatz etwas.
Lange hatte Daimler Truck vom Bestellboom der Speditionen nach der Corona-Pandemie gezehrt. Probleme gab es nicht mit der Nachfrage, sondern vor allem mit der Versorgung mit Teilen wie Elektronikchips. Hinzu kamen teils deutlich gestiegene Energie- und Frachtkosten. Seit einiger Zeit hat sich das Bild aber gewandelt: Viele Speditionen warten ab – und bestellen gerade keine neuen Lastwagen. Der Auftragseingang ging im ersten Quartal erneut zurück.
Daimler Truck will wettbewerbsfähiger werden
Das zeigt sich auch bei den Geschäftszahlen: Umsatz und Gewinn gingen 2024, aber auch zu Jahresbeginn, zurück. Bei Mercedes-Benz Trucks fiel das Minus in beiden Fällen besonders deutlich aus. Im ersten Quartal sank der Umsatz um 15 Prozent, der operative Gewinn um fast die Hälfte. In anderen Sparten läuft es für den Konzern aus Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart hingegen besser.
Das Management um Chefin Karin Radström zieht daraus den Schluss: Sparen. «Mit der konsequenten Umsetzung unserer neuen strategischen Prioritäten werden wir eine grundlegende Verbesserung unserer finanziellen Performance erzielen, angetrieben durch unser umfassendes Effizienzprogramm Cost Down Europe», sagte Finanzchefin Eva Scherer laut Mitteilung.
Die Anstrengung hat auch damit zu tun, dass die Hauptkonkurrenten zum Teil deutlich profitabler sind. Bei der Vorstellung von Radström als neue CEO hatte Aufsichtsratschef Joe Kaeser ihnen den Kampf angesagt. «Mittel- bis langfristig wollen wir nicht nur der größte Truck-Anbieter der westlichen Welt sein», sondern auch bei der Marge führend, sagte er damals. Es gebe keinen Grund, weshalb Daimler Truck absehbar hinter anderen Anbietern zurückstehen sollte. Kaeser verwies auf die operative Marge einiger Wettbewerber – also die Differenz zwischen Erlös und Aufwand – von bis zu 15 Prozent.
Daimler Truck will durch das Sparprogramm also auch profitabler werden. Es soll mehr Gewinn vom Umsatz übrig bleiben. 2024 kam das Unternehmen auf eine um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite von 8,9 Prozent. Radström peilt bis 2030 nun einen Wert von mehr als 12 Prozent an. Die Zahlen beziehen sich auf das Industriegeschäft, die Finanzdienstleistungen umfassen sie nicht.
Mindestens eine Milliarde soll gespart werden
Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die wiederkehrenden Kosten insgesamt um mehr als eine Milliarde Euro dauerhaft gesenkt werden. Erreicht werden soll das spätestens 2030. Von dem Programm sind sowohl die Produktion als auch die Zentrale, die Verwaltung, der Vertrieb und Entwicklung betroffen. Gesenkt werden sollen neben den Personalkosten zum Beispiel auch Ausgaben für Material, Verwaltung, IT-Infrastruktur sowie Forschung- und Entwicklung.
Ein Teil der Produktion soll demnach in «ein Land mit Kostenvorteilen» verlagert werden. Die rund 5.000 Stellen werden einem Unternehmenssprecher zufolge weitgehend über natürliche Fluktuation und Altersteilzeit abgebaut. Es seien aber auch gezielte Abfindungsprogramme möglich, hieß es.
Einigung auf Eckpunkte im Mai
Das Dax-Unternehmen hatte sich bereits im Mai mit dem Gesamtbetriebsrat auf Eckpunkte für die deutschen Lkw-Standorte geeinigt. Diese umfassen auch einen sozialverträglichen Personalabbau. Wie viele Stellen der Hersteller von Lastwagen und Bussen streichen will, war bislang nicht bekannt. In dem Papier haben sich Daimler Truck und Arbeitnehmervertreter auch darauf geeinigt, dass es bis Ende 2034 keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll.
Die vereinbarten Maßnahmen gelten für rund 28.000 Beschäftigte an insgesamt fünf deutschen Standorten: Gaggenau, Kassel, Mannheim, Stuttgart und Wörth. Der letztere Standort in Rheinland-Pfalz ist das größte Montagewerk für Lkw. Das Bus-Segment ist ausgenommen. Insgesamt hat Daimler Truck hierzulande rund 35.500 Beschäftigte.
Betriebsratschef: Sparen allein ist keine Strategie
Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht kritisierte nun die Höhe des geplanten Abbaus: «Die Kommunikation des Unternehmens (…) hat uns überrascht.» In den Verhandlungen habe man nicht über eine konkrete Zahl von abzubauenden Stellen gesprochen und auch nichts dergleichen vereinbart. «Es ist ärgerlich, dass durch den Wunsch, dem Kapitalmarkt zu gefallen, die Kolleginnen und Kollegen nur unnötig verunsichert werden», teilte Brecht mit.
Auch der Betriebsrat wolle ein wettbewerbsfähiges Unternehmen. Allerdings sei Sparen allein keine Strategie. «Wir brauchen gute Produkte und eine klare Wachstumsstrategie, um in Zukunft erfolgreich zu sein», so Brecht.
Daimler Truck ist nach eigenen Angaben einer der weltweit größten Nutzfahrzeughersteller und beschäftigt mehr als 100.000 Menschen. In den USA führt der Konzern unter anderem die Marken Freightliner und Western Star. Die Produktpalette umfasst leichte, mittelschwere und schwere Lkw.