Er verdient deutlich mehr als sie. Oder umgekehrt. Gemeinsame Urlaube, große Anschaffungen, der Alltag – alles wird gemeinsam gelebt, aber unter Umständen nicht gleich finanziert. Einkommensunterschiede in Partnerschaften sind absolut keine Seltenheit – doch wie geht man damit um, ohne dass die Liebe leidet? Fünf Expertinnen und Experten geben Antworten – und zeigen: Eine faire Aufteilung ergibt sich nicht allein aus den Zahlen.

Der wichtigste Faktor in so einer Konstellation: Kommunikation. Und zwar so offen und so früh wie möglich, rät Finanzcoachin Henriette Dieckhoff. Denn das Geld betreffe jeden Lebensbereich – Alltag, Träume, Pläne und Krisen. Wer Einkommensunterschiede, deren Auswirkungen und mögliche Lösungen also nicht klar thematisiert, riskiere «Missverständnisse, Frust oder sogar Vertrauensbrüche».

Hinter nackten Zahlen steckt viel mehr

Auch Diplom-Psychologin Britta Bettendorf vom Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen empfiehlt, möglichst offen über das Thema zu sprechen – allerdings mit Fingerspitzengefühl. Denn nicht selten versteckten sich hinter den nackten Zahlen noch ganz andere Dinge.

Geld werde häufig etwa mit Gesehenwerden, Kontrolle, Schuld und Freiheit gleichgesetzt. Oder auch mit Macht, wie Prof. Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zu bedenken gibt. Um solche hartnäckigen Narrative aufzubrechen, ist die Kommunikation also wichtig. Und zwar behutsam, um sein Gegenüber nicht zu verletzen.

Der ideale Zeitpunkt für Absprachen ist individuell

Das erste Date ist dafür mit Sicherheit noch nicht der geeignete Zeitpunkt, findet Hipp. Selbst wenn man anhand des Treffpunkts, des Wohnorts, der Kleidung, des Autos oder des Auftretens womöglich ablesen könne, wie es um die finanzielle Situation des anderen bestellt sei. Der bessere Zeitpunkt, um über Finanzen zu reden, sei eher, wenn sich die Beziehung allmählich verfestigt, man zusammenziehen möchte oder etwa ein gemeinsames Konto einrichtet. 

Was hingegen schädlich für die Beziehung sein kann: Schuldzuweisungen, die Romantisierung von Verzicht oder die Darstellung der finanziellen Ungleichheit als alternativlos. Dadurch entstehen Prof. Malte Martensen von der IU Internationale Hochschule zufolge verdeckte Machtverhältnisse. «Wer den Partner oder die Partnerin wirtschaftlich mitträgt, sollte dies bewusst, transparent und vor allem ohne Erwartungshaltung tun.» 

Verhältnismäßige Aufteilung der Kosten oft am fairsten

Aber gibt es eine Möglichkeit, die Finanzen auch bei einem Einkommensgefälle innerhalb einer Partnerschaft gerecht aufzuteilen? Finanzcoachin Dieckhoff zufolge bedeutet fair in so einem Fall: Gemeinsame Ausgaben werden anteilig nach Einkommen geteilt. Wer mehr verdient, zahlt mehr. Wer weniger verdient entsprechend weniger. «Das schafft ein Finanzteam auf Augenhöhe» und verhindere, dass sich einer dauernd nicht leisten kann, was für den anderen normal ist. Durch die verhältnismäßige Beteiligung am finanziellen Alltag würden Entscheidungen so gleichberechtigt getroffen, sagt auch Malte Martensen.

Wichtig ist am Ende, dass es sich für beide Partner gerecht anfühlt. Oder wie es Britta Bettendorf formuliert: dass sich beide gesehen und geachtet fühlen und sich nicht dafür schämen müssen, finanziell mehr oder weniger beitragen zu können.

Trotz Ungleichheit Unabhängigkeit wahren

Spannender wird es, wenn einer von beiden gerade gar kein oder nur ein sehr geringes Einkommen hat – etwa weil er oder sie sich um die Kinder kümmert oder eine Aus- oder Weiterbildung macht. Auch in solchen Fällen könne es fair sein, wenn der Partner mit dem geringeren oder ohne Einkommen sich erst wieder an den Kosten fürs Zusammenleben beteiligt, sobald die Mittel dafür vorhanden sind. «Da hängt es einfach von der Einstellung des Paares ab», sagt Lena Hipp. «Ich würde mir da kein normatives Urteil erlauben.»

Insbesondere wenn Kinder hinzukommen, ist es Malte Martensen zufolge wichtig, Strukturen zu schaffen, die beiden Partnern Unabhängigkeit ermöglichen – und zwar langfristig. «Wer Care-Arbeit übernimmt, leistet einen Beitrag, der finanzielle Anerkennung und langfristige Absicherung verdient.» Sei es durch Ausgleichszahlungen, gemeinsame Rücklagen oder geteilte Rentenansprüche. Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite bleibt die Person, die für die Kinder kürzertritt, beruflich womöglich auf der Strecke. Martensen empfiehlt daher, nicht nur auf kurzfristige Einkommensverluste zu schauen, sondern auch die langfristige Gleichstellung. «Wenn der ökonomisch sinnvollste Weg immer bedeutet, dass eine Person Karriere macht, während die andere sich [Anm. d. Red.: um die Kinder] kümmert, dann zementiert das alte Rollenmuster – und langfristig auch Altersarmut und Ungleichheit.» 

Erwerbstätigkeit dient auch der Selbstverwirklichung

Was Lena Hipp zufolge helfen kann: Care-Arbeit trotz möglicher kurzfristiger Einkommensverluste auf beide Schulterpaare zu verteilen. Wenn etwa bislang der besserverdienende Partner Vollzeit gearbeitet hat, während der andere 50 Prozent leistete, könnte man dazu übergehen, dass beide je 80 Prozent arbeiten. «Damit wäre das Erwerbsarbeitsvolumen sogar höher und gleich verteilt», sagt Hipp. 

Das sei nicht nur deswegen fair, weil die unbezahlte Care-Arbeit eben auch belastend ist. Es habe noch dazu einen psychologischen Effekt – «weil ein Erwerbseinkommen ja auch sehr erfüllend sein kann», sagt Hipp. Darüber hinaus habe so jeder der Partner die Möglichkeit, Karriere zu machen. Das könne langfristig sogar dazu führen, finanziell besser aufgestellt zu sein.