Für viele Comic-Freaks gibt es nichts Komischeres als die Geschichten von Ralf König, aber er selbst ist ein ernster, nachdenklicher Mann. «Ich bin ein melancholischer Typ», bestätigt er der Deutschen Presse-Agentur in seiner Wohnung in Köln. «Wenn man denkt, ich bin der Witzbold, dann ist das sicherlich falsch.» 

In den letzten Monaten ist ihm die Weltlage zusätzlich aufs Gemüt geschlagen. «Ich hab’ gemerkt, dass mir das bei meiner Kreativität im Weg steht. Dass ich nicht mehr heiter bin. Das kann ich mir überhaupt nicht erlauben.» Deshalb hat er seinen Nachrichtenkonsum zurückgefahren. 

Am Freitag (8.8.) feiert König seinen 65. Geburtstag. In seiner Küche hängt ein großes Bild mit einer Kuh auf einer Weide – das Cover des Albums «Atom Heart Mother» von Pink Floyd. Das Bild weckt in ihm Heimatgefühle. König wurde in Soest geboren und wuchs in Westönnen auf. «Das ist westlich von Ostönnen.» 

Als Teenager wollte er Schweinkram zeichnen

Sein Coming-out hatte er mit 19. «Heute relativ spät, aber damals ziemlich normal. Dann bin ich nach Dortmund gezogen und hatte dort meine ersten Kontakte.» Gezeichnet hat er da schon lange, eine der ersten Inspirationsquellen war ein Wilhelm-Busch-Buch im Haus seiner Eltern. 

Mit elf Jahren fielen ihm die Comics von Robert Crump («Fritz the Cat») in die Hände. «Das hat mich total angefixt, dass es Comics für Erwachsene gibt. Das war der Urknall bei mir. Ungefähr gleichzeitig habe ich auch die Pornos im Schrank meines Vaters entdeckt, und da kamen dann zwei Sachen zusammen: Ich wollte Schweinkram zeichnen. Meine Mutter hat das alles gesammelt – zu meiner großen Überraschung.» 

Weil er nur Hauptschulabschluss hatte, machte er zunächst eine Schreinerlehre. «Wie ich das durchgestanden habe, weiß ich bis heute nicht. Aber das war eben Ostwestfalen, was will man da mit Kunst machen?» 

Irgendwann sagte ihm jemand, dass man in Düsseldorf an der Kunstakademie ohne Abitur studieren könne. «Das hatte Joseph Beuys damals durchgedrückt. Ein toller Gedanke: Warum muss man Mathe können, wenn man Kunst machen will?» Er hat dann einfach eine Mappe eingeschickt, und danach hieß es gleich, er könne kommen. «Ich hab‘ schon viel Glück gehabt im Leben. Manchmal.»

Als er anfing, gab es nur Heititei-Witze

Eine Zeit lang waren seine Comics ein Insider-Ding, dann wurden sie von einer größeren linken Studentenszene entdeckt und lagen vielerorts auf den WG-Klos aus. «Damals gab es ja nur diskriminierende Schwulen-Witze. Diese Detlef-Witze, heititei.» König lieferte etwas anderes, ohne dass er dabei eine Agenda gehabt hätte. «Ich wollte coole Geschichten erzählen, die lustig sind. Dass damit eine Szene, die damals nicht so viel zu lachen hatte, plötzlich Witze hatte, war mir nicht so bewusst.» 

Erst später kamen die Leute zu ihm und erzählten, sie hätten sich in den Geschichten wiedererkannt, und das habe ihnen ihr Coming-out erleichtert. 

Der große Durchbruch kam mit dem Buch «Der bewegte Mann», das von Bernd Eichinger mit Til Schweiger erfolgreich verfilmt wurde. «Ich hatte damit allerdings wenig zu tun und rede über die Filme deshalb ungern. Das haben andere gemacht. Es stört mich ein bisschen, dass immer, wenn mein Name in der Zeitung steht, in Klammern „Der bewegte Mann“ dahintersteht. Man ist da so einsortiert, das ist ein bisschen lästig.»

In der Schwulenszene hat sich in letzter Zeit vieles verändert, angefangen beim Namen. «Da gibt’s jetzt das Wort „queer“ und „LGBTQ“. Ich habe lange gebraucht, um das zu lernen, weil ich war schon damals im Chemieunterricht schlecht darin, mir diese Buchstabenketten zu merken.» 

Mit Begriffen wie «queer» und «LGBTQ» tut er sich schwer

Er selbst sagt weiter «schwul» und «lesbisch», weil er es gewohnt ist. «Ich würde nie sagen, ich bin ein queerer Zeichner, weil mir dieses Wort ein bisschen fremd bleibt.» Allerdings fallen ihm an dieser Stelle auch die älteren Herren aus der Dortmunder Schwulenszene um 1980 ein, die damals mit dem Wort «schwul» Probleme hatten und stattdessen von «homophil» oder «homosexuell» sprachen. «Das ist jetzt vielleicht etwas Ähnliches. Plötzlich ist das Wort „queer“ da und klingt für mich wie „quer“. Aber ich akzeptiere, dass es sich durchgesetzt hat – was soll ich alter Mann da sagen?»

Zu seinem 65. Geburtstag erscheint der Jubiläumsband «Pflaumensturz und Sahneschnitten», ein Rückblick mit Interviews, Fotos und Skizzen. Derweil arbeitet der Künstler schon seit zwei Jahren an einer Umsetzung der Nibelungen-Sage. Aber es stockt. «Ich fing schwungvoll an, und nach 80 Seiten kamen dann die Zweifel: Sieht der Siegfried wirklich aus, wie er soll? Müsste er den Scheitel nicht rechts haben? Ich habe da einen inneren Kritiker, der ist manchmal gnadenlos.» 

In zwei Jahren bekommt er Rente. «Finde ich komisch, ist aber auch ein beruhigendes Gefühl. Obwohl ich eine große und treue Lesergemeinschaft habe: Die Verlage stöhnen – das Internet übernimmt die Regie, alle gucken nur noch ins Smartphone, Bücher werden nicht mehr so richtig verkauft. Man muss sehen, wo man bleibt.» Von daher ist das mit der Rente schon okay. «Aufhören werde ich sicherlich nicht. Solange ich einen Stift halten kann und mir etwas einfällt, gehört das zu mir.» Alles andere «wäre komisch».