Die Anfrage für den gemeinsamen Auftritt beim radikal reformierten Mixed-Turnier der US Open ploppte irgendwann bei Alexander Zverev auf dem Handy auf. Prompt sagte er zu. Gemeinsam mit der Schweizerin Belinda Bencic – wie er 2021 im Einzel mit Gold bei den Olympischen Spielen in Tokio dekoriert – will der 28-Jährige am Dienstag in New York antreten. Eine ungewöhnliche Chance auf einen Grand-Slam-Titel, mit der Deutschlands bester Tennisprofi sicher lange nicht rechnete.
Siegemund schimpft über Reform
Die hat Zverev dank eines neuen Formats, das bei den Topstars gut ankommt, aber kontrovers diskutiert und teilweise harsch angegangen wird. «Das ist ja ein Witz», schimpfte beispielsweise Laura Siegemund, die zwei Grand-Slam-Titel im Mixed gewann und keine Chance auf eine Teilnahme hat. Sie habe «überhaupt kein Verständnis», meinte die 37-Jährige und steht mit ihrer Kritik nicht allein da.
Doch das Ziel der Veranstalter ist eine deutlich größere Aufmerksamkeit für einen zuvor nebensächlichen Wettbewerb – und höhere Einnahmen. Und die Topstars ziehen natürlich viel mehr Zuschauer an. Das neue Format ermöglicht einen Promi-Auflauf in dieser normalerweise kaum beachteten Konkurrenz, der so schillernd ist wie in der jüngeren Tennis-Geschichte noch nie.
Carlos Alcaraz spielt mit Emma Raducanu, Sensationssiegerin der US-Open von 2021. Jannik Sinner ist dabei, Novak Djokovic ebenso wie Altmeisterin Venus Williams. Zum ersten Mal wird der Mixed-Wettbewerb in die Woche vor dem eigentlichen Turnierauftakt vorgezogen, findet nur an zwei Tagen statt und nicht parallel zur intensiven Phase der Einzel.
Millionen-Preisgeld lockt
Vier Siege reichen zum Grand-Slam-Titel. 16 statt wie üblich 32 Teams nehmen teil. Nach zwei Runden am Dienstag folgen Halbfinale und Finale am Mittwoch sogar in der Primetime der Nightsession. Die Sieger dürfen sich über ein auf eine Million US-Dollar erhöhtes Preisgeld freuen.
Acht der Top-Ten-Spieler der Herren, sechs der Damen sind angekündigt. Um die Belastung geringer zu halten, werden außer im Endspiel verkürzte Sätze bis vier (statt bis sechs) gespielt. So fallen die Entscheidungen schneller, es gibt mehr spannende Momente. Schon lange wird darüber diskutiert, ob oder wie Tennis moderner werden sollte. Dies ist ein Versuch. In den zwei größten Stadien der New Yorker Anlage sollen die Matches im Rampenlicht stehen.
Kritikpunkt: Grand Slam zum «Show-Event degradiert»
«Mixed ist eine supertolle Competition. Das sollte nicht zu so einem Show-Event degradiert werden», kritisierte Siegemund allerdings. Auch Tennisikone Martina Navratilova, zehnfache Mixed-Grand-Slam-Siegerin, monierte, es sei einfach falsch, den Doppelspielern überhaupt keine Chance zu lassen. «Das macht den Titel zu einer Farce.»
Die Schwäbin Siegemund ist wie fast alle Spezialistinnen außen vor. Acht Duos, darunter Zverev und Bencic, sind über ihre Ranglistenposition im Einzel dabei. Acht Paarungen erhalten Wildcards der Veranstalter. In der Regel traten die Topstars bisher nicht im Mixed an, sondern konzentrierten sich aufs Einzel.
Nun freut sich nicht nur die Polin Iga Swiatek auf gute Unterhaltung. «Wir haben Spaß, die Zuschauer haben Spaß, und auch die Turniere profitieren davon, weil sie damit wohl gute Gewinne erzielen können», meinte sie. Zverevs Mixed-Partnerin Bencic erklärte: «Ich spiele gerne Doppel oder Mixed, aber während eines Grand-Slam-Turniers wird mir das zu viel. Das ist nun eine gute Gelegenheit.»
Anders als Siegemund kann Tim Pütz, French-Open-Champion im Mixed 2023, die Reform verstehen. «Auf eine egoistische Art und Weise ist das natürlich doof für uns», sagte der Frankfurter zwar. Wenn er sich aber in die Rolle der Organisatoren versetze, finde er die Idee «gewissermaßen genial». Dass die Ränge leer bleiben, wie es Pütz im Mixed erlebt hat («Da war kein Zuschauer, also wirklich null»), dürfte ausgeschlossen sein.
Sinner kannte seine Mixed-Partnerin kaum
Daran ändert auch nichts, dass manche Paarungen eher zufällig oder auf Wunsch der Organisatoren zustande kamen. Zverev und Bencic kennen sich seit Kindertagen. Der Italiener Sinner gab dagegen zu, seine amerikanische Mixed-Partnerin Emma Navarro erstmals getroffen zu haben, nachdem die Paarung schon bekannt war.
«Wir haben nie miteinander gesprochen. Wir haben uns nie Nachrichten geschrieben», räumte er ein. «Die Auswahl war nicht groß, aber ich freue mich sehr, mit Emma zu spielen». Schmunzelnd erzählte er, er habe ihr gesagt, dass sie sich nicht über seine Volleys aufregen solle.
Ein Modell mit Zukunft?
Für Pütz hat es bei allem Verständnis schon ein «Geschmäckle», dass das Turnier trotz der kurzen Sätze und des schlanken Feldes Grand Slam heißt und sich jemand so zum Grand-Slam-Sieger küren könne. Er nimmt es aber gelassen: «Mein Gott, das ist ja mehr eine Ego-Sache.»
Man müsse sich halt bewusst sein, dass die Show im Vordergrund stehe, betonte Pütz. Dennoch hat das Format seiner Meinung nach Zukunft. «Ich gehe mal davon aus, es wird gut funktionieren. Dann könnte ich mir auch vorstellen, dass andere Grand Slams auch folgen.»