Die bisherige Chefin der Bahnsparte DB Regio, Evelyn Palla, soll neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn werden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Zuvor hatte «Bild» berichtet. Nach dem Vorschlag des Bundesverkehrsministers Patrick Schnieder (CDU) muss Palla noch vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn berufen werden. Die nächste Sitzung des Aufsichtsrats beginnt am Dienstag.

Palla folgt auf Richard Lutz, der den bundeseigenen Konzern seit Anfang 2017 führt. Mitte August hatte Schnieder mitgeteilt, dass er für die Zukunft einen neuen Bahnchef einsetzen will, der auch die neue Strategie für den Konzern umsetzen soll. Die Strategie soll am Montag vorgestellt werden. Was drinsteht und wie konkret sie bereits ausgearbeitet ist, ist nicht bekannt. 

Bahnchef – einer der schwierigsten Jobs in Deutschland

Palla übernimmt den bundeseigenen Konzern inmitten einer schweren Krise. Im August waren nur knapp 60 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich unterwegs, die Infrastruktur ist marode und gilt als Hauptgrund für die schlechte betriebliche Leistung. Auch die wirtschaftlichen Zahlen sehen seit Jahren nicht gut aus, auch wenn zuletzt eine leichte Verbesserung zu erkennen war. 

Die Bahn hat in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Plänen versucht, wieder in die Spur zu kommen – große Zuversicht auf zeitnahe Verbesserungen konnte sie aber nicht versprühen. 

Pünktlichkeit, Infrastruktur, Wirtschaftlichkeit – Probleme überall

Für mehr Pünktlichkeit soll vor allem die Infrastruktur in einen besseren Zustand gebracht werden. Kurzfristig belastet das hohe Bauvolumen aber die Pünktlichkeit, ein Großteil der Fernverkehrszüge passiert derzeit bei seiner Fahrt durchs Land mindestens eine Baustelle. Besserung soll ein neues Baustellenmanagement bringen, bei dem Baustellen nur noch in bestimmte Zeitfenster eingeplant werden. Die Baustellen sollen sich also am Fahrplan orientieren, nicht andersherum. Im August wurden im Fernverkehr nur knapp 60 Prozent der Halte pünktlich erreicht, das heißt mit maximal 5:59 Minuten Verspätung. 

Große Hoffnungen setzt die für die Infrastruktur zuständige DB InfraGo in die grundlegende Sanierung besonders wichtiger Strecken. Das Konzept der sogenannten Generalsanierungen sieht vor, dass die Strecken monatelang komplett gesperrt werden, um in dieser Zeit möglichst viel reparieren zu können. Mehr als 40 Korridore sollen so bis 2036 saniert werden. Im Gegenzug für die Einschränkungen versprach die Bahn mindestens fünf Jahre Baufreiheit. Das Versprechen wackelt inzwischen, zudem musste auf einigen Strecken der Bauumfang angepasst werden. 

Um den Konzern wirtschaftlicher aufzustellen, sollen zudem Tausende Stellen wegfallen und defizitäre Teile des Konzerns wie etwa DB Cargo auf Profitabilität getrimmt werden. Zuletzt verbesserten sich die Zahlen, am Ende des ersten Halbjahres 2025 stand aber weiterhin ein dickes Minus von 760 Millionen Euro. 

Viel zu tun also für die neue Bahnchefin, die aus Südtirol kommt und seit 2019 bei der Deutschen Bahn arbeitet. Palla, Jahrgang 1973, startete ihre berufliche Laufbahn 1997 bei der Infineon Technologies AG. Ab 2003 war sie bei Eon in München, Köln und Mailand tätig. 2011 wechselte sie zu den Österreichischen Bundesbahnen nach Wien. Dort war sie ab 2015 als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG für den Regionalverkehr zuständig. Zudem bekleidete sie ab 2015 das Amt der Aufsichtsratsvorsitzenden der ÖBB Postbus AG.

Schnieder will vor allem pünktliche, sichere und saubere Bahn

Zur Bewältigung der Herausforderungen soll Palla eine neue Strategie des Bundes an die Hand bekommen, über die bislang wenig bekannt ist. Der Titel gibt aber schon einen Hinweis, wo der Fokus liegen wird: «Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene.» «Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein», sagte Schnieder zuletzt. Zudem müsse der Konzern «schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher» werden. Derzeit sei die Lage «dramatisch». 

Die Entwicklung der Infrastruktur und des Bahnbetriebs hängt stark vom Wohlwollen im Regierungsviertel ab – und vom Geld, das die Politik bereitstellt. Die Rückendeckung des zuständigen Ministers sollte Palla nun haben. Doch reicht das, um die Bahn wieder nach vorne zu bringen?

Der Finanzbedarf ist riesig. Die Bahn erhielt zuletzt zwar deutlich mehr Geld, dennoch warnte Noch-Bahnchef Lutz davor, dass auch diese Mittel nicht reichten, um die Bahn wirklich zukunftsfest zu machen. Trotz Sondervermögen herrscht beim Bund Spardruck. Spannend wird daher, wie viel Geld der Minister künftig für seinen neuen Bahnchef bei Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) raushandeln kann.