Rund 41 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind armutsgefährdet – das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Die Erfahrung von Annett-Katrin Wohlgemuth zeigt daneben aber auch: Viele Alleinerziehende wissen gar nicht um die vielfältigen finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten für Alleinerziehende in Deutschland – und schöpfen sie daher auch nicht aus. 

Wohlgemuth ist Geschäftsführerin von Amuvee, einer Plattform, die Alleinerziehende dabei unterstützt, sich im Förderdschungel zurechtzufinden. Im Rahmen eines Modellprojekts fand sie heraus: Teilnehmerinnen und Teilnehmer könnten mit dem entsprechenden Know-how rund 300 Euro mehr pro Monat im Geldbeutel haben. Allerdings: Einige Angebote unterscheiden sich je nach Wohnort, weil sie von der Stadt oder dem jeweiligen Bundesland abhängen – und dort verschiedentlich ausgestaltet sein können.

Wer sich beraten lässt – zum Beispiel auch beim Jugendamt, bei Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas, der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt oder dem Verband alleinerziehende Mütter und Väter (VAMV) -, könnte also deutlich unbesorgter leben. Entsprechende Angebote in ihrer Nähe finden Interessierte zum Beispiel über die Suchfunktion des Familienportals des Bundesfamilienministeriums.

Eine Übersicht über finanzielle Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, die für Alleinerziehende bundesweit infrage kommen, finden Sie hier:

1. Kindergeld

Aktuell gibt es für jedes Kind monatlich 255 Euro Kindergeld. Im Trennungsfall wird das Geld demjenigen Elternteil ausgezahlt, in dessen Haushalt das Kind gemeldet ist. Für den unterhaltspflichtigen Elternteil mindert das Kindergeld die Unterhaltszahlungen – bei minderjährigen Kindern um die Hälfte, also um derzeit 127,50 Euro.

2. Kinderzuschlag

Den Kinderzuschlag (KiZ) von maximal 297 Euro monatlich pro Kind gibt es zusätzlich zum Kindergeld, falls das Einkommen zwar für den eigenen Lebensunterhalt reicht, nicht aber dafür, die gesamte Familie zu versorgen. Der KiZ-Lotse auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit hilft dabei, mögliche Ansprüche zu prüfen. Einmal bewilligt, gibt es den Kinderzuschlag für sechs Monate. Anschließend muss er neu beantragt werden.

3. Unterhalt

Wenn Eltern sich trennen, wohnen gemeinsame Kinder oft bei einem Elternteil. Der andere Elternteil beteiligt sich an der gemeinsamen Verantwortung, indem er Unterhalt zahlt. Die Höhe des Kindesunterhalts hängt vom jeweiligen Einkommen sowie dem Alter des Kindes ab. Eine Orientierung bietet die sogenannte Düsseldorfer Tabelle. Können die Alleinerziehenden selbst nicht arbeiten, weil das Kind unter drei Jahre alt ist und beispielsweise nicht anderweitig betreut werden kann, steht auch ihnen Unterhalt zu.

4. Unterhaltsvorschuss

Wer sich von seinem Partner getrennt hat, von diesem getrennt lebt und keinen oder zu wenig Unterhalt bekommt, kann Unterhaltsvorschuss beantragen. Zuständig ist die Unterhaltsvorschuss-Stelle, die in der Regel bei den Jugendämtern angesiedelt ist. Der Vorschuss ersetzt allerdings in der Regel nicht eins zu eins den gewöhnlichen Unterhaltsanspruch. Bei Kindern unter sechs Jahren beträgt er lediglich 227 Euro, bei Kindern unter zwölf Jahren gibt es 299 Euro und bei Kindern unter 18 Jahren gibt es 394 Euro.

Die Jugendämter beraten und unterstützen, um die Unterhaltsrechte des Kindes gegenüber dem anderen Partner geltend zu machen. Auch für Kinder, bei denen ein Elternteil verstorben ist, sollte Unterhaltsvorschuss beantragt werden.

5. Elterngeld

Teilen sich beide Elternteile die Kinderbetreuung während der ersten Lebensmonate auf, bekommen sie beim Elterngeld Partnermonate oder einen Partnerschaftsbonus. Alleinerziehende können diese Ansprüche auch ohne Partner geltend machen.

6. Entlastungsbetrag

Wer sein Kind allein erzieht, muss bis zu 4.260 Euro im Jahr – zusätzlich zu sonstigen Freibeträgen – nicht versteuern. Für jedes weitere Kind erhöht sich der Entlastungsbetrag um 240 Euro jährlich.

«Voraussetzung ist, dass man das Kindergeld oder den Kinderfreibetrag erhält, das Kind mit einem im Haushalt lebt und dort keine weitere erwachsene Person lebt, die sich an der Haushaltsführung beteiligt», sagt Daniela Jaspers, Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter. Um diesen Entlastungsbeitrag in Anspruch nehmen zu können, müssen Alleinerziehende beim Finanzamt die Steuerklasse II beantragen.

7. Kinderkrankengeld

Können Alleinerziehende aufgrund eines kranken Kindes nicht zur Arbeit gehen, haben sie grundsätzlich keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Für bis zu 30 Tage im Jahr können sie zur Kompensation des finanziellen Verlusts allerdings Kinderkrankengeld über die Krankenkasse beantragen. Bei mehreren Kindern sind es sogar bis zu 70 Tage. Das Kinderkrankengeld beträgt in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts. Voraussetzung ist, dass das Kind jünger als zwölf Jahre alt oder behindert ist.

8. Wohngeld

Sind die Wohnkosten im Verhältnis zum Einkommen hoch, kann gegebenenfalls Wohngeld beantragt werden. «Das hängt auch mit der Anzahl der Kinder und den regionalen Obergrenzen zusammen», sagt Annett-Katrin Wohlgemuth. 

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gibt es einen Rechner, mit dem man mögliche Ansprüche prüfen kann. Lebt man in einer eigenen Immobilie, kann man gegebenenfalls den sogenannten Lastenzuschuss erhalten.

9. Bürgergeld

Gerade für Alleinerziehende ist es oft nicht leicht, neben der Betreuung der Kinder zu arbeiten. Viele gehen auch arbeiten, das Einkommen reicht aber trotzdem nicht aus. Dann gibt es die Möglichkeit, Bürgergeld zu beziehen, um den Bedarf der Ein-Eltern-Familie zu decken. Neben den Regelsätzen erhalten die Alleinerziehenden für die Kinder je nach Alter und Anzahl einen Mehrbedarf dazu. 

Aber aufgepasst: Kindergeld und Unterhalt beziehungsweise Unterhaltsvorschuss zählen als Einkommen des Kindes und werden als vorrangige Leistungen auf die gesamte Familie verrechnet. Wer Bürgergeld erhält, kann daher kein Wohngeld und keinen Kinderzuschlag beantragen – und umgekehrt.

10. Aktivierungsgutschein

Trennen sich Eltern, bei denen ein Partner aufgrund der Kinderbetreuung längere Zeit nicht gearbeitet hat, findet dieser nicht immer so leicht einen Job. Die Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters ermöglichen Fördermaßnahmen wie beispielsweise Bewerbungstrainings oder berufliche Weiterqualifizierungen.

11. Leistungen für Bildung und Teilhabe

Schulbedarf, Klassenfahrten, Mittagsverpflegung in Kita oder Schule, Gebühren für Vereine oder Musikschule: Ist das Einkommen zu knapp, um Kindern hier eine Teilnahme zu ermöglichen, kann man Leistungen für Bildung und Teilhabe beantragen. Voraussetzung dafür ist, dass ein Anspruch auf andere staatliche Leistungen besteht, etwa auf Bürgergeld, Kinderzuschlag oder Wohngeld. Welche Behörde im jeweiligen Wohnort zuständig ist, finden Betroffene auf der Webseite des Bundesarbeitsministeriums heraus.

Darüber hinaus lohnt es sich, bei den jeweiligen Städten oder Gemeinden nach weiteren Unterstützungsmöglichkeiten in diesem Bereich zu fragen. «Oft gibt es beispielsweise Zuschüsse für die Kita oder freie Eintritte in Bäder oder Museen», sagt Annett-Katrin Wohlgemuth. Diese sind auch nicht immer an das Einkommen gebunden.

12. Versorgungsausgleich

Die Rentenansprüche, die während einer Ehezeit erworben wurden, werden im Fall einer Scheidung ausgeglichen. Das bedeutet oft insbesondere für Frauen: Haben sie aufgrund von Kinderziehungszeiten auf Erwerbstätigkeit und damit verbundene Rentenansprüche verzichtet, kann sich ihre Rente über den Versorgungsausgleich erhöhen. Über den Versorgungsausgleich entscheidet das Familiengericht.

13. Witwen-/Halbwaisenrente

Auch der Tod eines Partners kann die Ursache dafür sein, dass man alleinerziehend wird. Die Ansprüche für die Witwe oder den Witwer richten sich danach, wie lange man verheiratet war. Bei den Ansprüchen der Kinder spielt das Alter eine Rolle. «Zuständig ist hier die Deutsche Rentenversicherung», sagt Mechthild Greten, Sprecherin beim Deutschen Caritasverband.