Die Situation dürften viele Autofahrer kennen: Sie fahren auf der Autobahn und ein Lastwagen vor ihnen blinkt – noch vorbeiziehen oder bremsen? Und wann darf der Lastwagen ausscheren? Das sind die Fragen. 

Ein Fall, in dem es in so einer Situation zum Crash kam, beschäftigte das Landgericht Nürnberg-Fürth. Dessen Urteil, auf das der ADAC hinweist, lässt sich so zusammenfassen: Wer einen Spurwechsel zu spät ankündigt, trägt die Hauptschuld an einer daraus folgenden Kollision – auch wenn der andere beteiligte Verkehrsteilnehmer beschleunigt. (Az.: 8 O 4305/24)

Die Unfallsituation war etwas ungewöhnlich: Ein Autofahrer war auf der mittleren Spur unterwegs, der Lastwagen befand sich auf der linken Spur (nicht etwa auf der rechten). Als beide Fahrzeuge auf gleicher Höhe rollten, setze der Lkw-Fahrer den Blinker nach rechts und wollte auf die mittlere Spur. 

Das Ansinnen erkannte der Autofahrer und reagierte: mit Gas geben. Er hatte die Hoffnung, dadurch einen Zusammenstoß noch zu verhindern – ohne Erfolg. Die Fahrzeuge stießen zusammen. Im Nachgang forderten beide Fahrer Schadenersatz von der jeweils anderen Versicherung.

Beide gaben sich gegenseitig die Schuld

Der Lkw-Fahrer sah die Schuld beim Autofahrer: Der hätte den Spurwechsel doch frühzeitig erkennen müssen – und statt zu bremsen, hätte er unnötig beschleunigt und so den Unfall erst provoziert.

Der Pkw-Fahrer hielt dagegen: Das Blinken wäre viel zu spät gekommen, er hätte versucht, durch ein Beschleunigen die Kollision zu verhindern. Die Sache blieb ohne Einigung und Gerichte mussten entscheiden.

Welche Rolle spielte das Verhalten des Autofahrers?

Das Landgericht Nürnberg-Fürth sah es schließlich als erwiesen an, dass der Lkw-Fahrer den Wechsel der Fahrspur nicht rechtzeitig angezeigt hatte und wertete dies als einen schweren Verstoß. 

Allerdings hatte sich auch der Pkw-Fahrer nicht angemessen verhalten. Da dieser keine Gefahrenbremsung eingeleitet, sondern beschleunigt hatte, wurde nach Ansicht des Gerichts die Gefahr einer Kollision erhöht. Denn: Wenn ein Fahrzeug in die Nebenspur einschert, verengt sich der vordere Bereich der Fahrbahn zuerst.

Der Autofahrer hätte demnach darauf vertrauen dürfen, dass die Fahrzeuge hinter ihm einen ausreichenden Sicherheitsabstand wahren und es durch ein Bremsmanöver von ihm nicht zu einem Auffahrunfall gekommen wäre. 

So musste sich der Autofahrer ein Teil der Schuld zurechnen lassen: Das Gericht verhängte eine Haftungsquote von 80 Prozent zulasten des Lkw-Fahrers – mit den restlichen 20 Prozent musste der Autofahrer haften.