Bahnchef Richard Lutz muss vorzeitig gehen. Der 61-Jährige soll den Konzern nur noch so lange führen, bis ein Nachfolger gefunden wurde, wie Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) mitteilte. Der Vertrag von Lutz läuft eigentlich noch bis 2027. Der Bahnchef gilt aber schon seit Monaten als angezählt – zu groß ist die wirtschaftliche und betriebliche Krise, in der die Bahn seit Jahren steckt.
«Ich danke Herrn Dr. Lutz für sein großes Engagement in schwierigen Zeiten bei der Bahn. Ich bin mir sicher, dass er auch in den verbleibenden Wochen alles für die Schiene geben wird», sagte Schnieder der Mitteilung zufolge. Eine Bahn-Sprecherin teilte mit: «Dr. Richard Lutz wird weiterhin geschäftsführend zur Verfügung stehen, bis die Nachfolge an der Spitze der Deutschen Bahn AG geregelt ist.»
Pünktlichkeit stürzte unter Lutz ab
Unter der Führung von Lutz schlitterte die Bahn von einer Negativ-Schlagzeile zur nächsten, immer wieder forderten politische Entscheidungsträger auch die Zerschlagung des Konzerns. Zuletzt sorgte vor allem die marode und kaputt gefahrene Infrastruktur für große Probleme. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr stürzte von 78,5 Prozent im Jahr 2017 auf 62,5 Prozent im vergangenen Jahr ab.
Deutliche Verbesserungen sind bislang nicht in Sicht. Auch wirtschaftlich ist die Bahn in Schieflage – seit Jahren schreibt der bundeseigene Konzern rote Zahlen.
Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Neuaufstellung des Aufsichtsrats und des Bahn-Vorstands angekündigt, «mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen». Diese Neuaufstellung hat nun offensichtlich begonnen.
Schlechte Bilanz als Bahnchef
Lutz leitet den bundeseigenen Konzern seit Anfang 2017. Davor war er von 2010 bis 2017 Finanzvorstand der DB. Im Konzern arbeitet der 61 Jahre alte Pfälzer seit 1994, er kennt das Unternehmen und die Branche besser als viele andere. Das hat ihm jetzt aber nicht mehr geholfen.
Lutz gilt als disziplinierter Arbeiter und guter Schachspieler. Seine Arbeitstage beginnen in der Regel bereits um 4.00 Uhr morgens und dauern bis in den späten Abend. Auch am Wochenende machte er selten frei. Bis zuletzt betonte er seine Leidenschaft für den Job und die Verbindung zum Unternehmen. Solange man ihn lasse, sei er mit Freude dabei, hieß es stets.
Sanierungskonzept, Generalsanierungen – aber kein schneller Aufschwung
Um die Probleme grundlegend anzugehen, legte Lutz 2024 ein Sanierungskonzept auf, mit dem in drei Jahren die Infrastruktur, der Bahnbetrieb und die Wirtschaftlichkeit der Bahn verbessert werden soll. Unter anderem sollen Tausende Stellen eingespart werden. Das Ende des Programms im Jahr 2027 darf Lutz jetzt nur von außen beobachten.
Die Infrastruktur soll vor allem mit rund 40 Generalsanierungen auf besonders wichtigen Strecken wieder fit gemacht werden. Derzeit wird auf der Strecke Hamburg-Berlin gebaut. Das Konzept sieht stets eine Vollsperrung der Strecke für mehrere Monate vor, um in dieser Zeit möglichst grundlegend sanieren zu können. Danach sollen es auf den Strecken deutlich weniger Störungen und über mehrere Jahre keine weiteren Baustellen geben.
Lutz + Wissing passte – Lutz + Schnieder nicht
Für die Misere ist Lutz – natürlich – nicht allein verantwortlich. Auch seine Vorgänger agierten im Zusammenspiel mit den jeweiligen Verkehrsministern nur wenig erfolgreich. Die Probleme mit der Infrastruktur liegen auch daran, dass über Jahrzehnte zu wenig in Sanierung und Instandhaltung investiert wurde – vom Neu- und Ausbau ganz zu schweigen.
Mit Ex-Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und der Ampel-Regierung schien Lutz ein gutes Verhältnis aufgebaut zu haben, beim Generalsanierungsprogramm für die Infrastruktur zogen beide am gleichen Strang. Gleich nach dem Regierungswechsel begannen dagegen die Spekulationen, dass Lutz unter dem neuen Verkehrsminister Schnieder wohl nicht mehr lange Bahnchef bleiben wird.
Der Manager ging zunehmend auf Konfrontationskurs. Trotz zusätzlicher Milliarden-Zusagen vom Bund warnte er davor, dass die Mittel nicht reichten, um die Bahn wirklich zukunftsfest zu machen. Zudem verwies er auf die mangelnde Förderung zum Ausgleich von Trassenpreisen, einer Art Schienenmaut. Wenn der Bund diese nicht erhöhe, müsse die Bahn auch über eine Reduzierung des Angebots im Fernverkehr nachdenken. Kritiker sahen darin eine Drohung.
Wer übernimmt?
Minister Schnieder kündigte für den Spätsommer eine Strategie an, wie es bei der DB weitergehen soll. «Unser Konzept steht in den Grundzügen, jetzt gilt es, die passende Person zu finden, die es umsetzt. Auch für diesen Auswahlprozess gilt: Gründlichkeit und Sorgfalt vor Schnelligkeit», sagte Schnieder der Mitteilung zufolge.
Eigentlich wollte sich der CDU-Politiker erst nach der Strategie mit Personalfragen beschäftigen. Vor einigen Wochen sagte er der Deutschen Presse-Agentur: «Der Trainer ist weg und alles wird gut – das halte ich für verkürzt.» Nun muss der Trainer dennoch gehen.
Noch offen ist, wer Lutz nachfolgen wird. Schickt Schnieder einen Politiker in den Bahntower am Potsdamer Platz in Berlin? Oder wird der Nachfolger in den Reihen des Konzerns gefunden? In den vergangenen Monaten wurde bereits über zahlreiche Kandidaten spekuliert, darunter etwa der kurzzeitige Finanzminister Jörg Kukies (SPD) und DB-Regio-Chefin Evelyn Palla.
Keine kurzfristige Besserung in Sicht
Fahrgäste, die sich mit dem Weggang von Lutz eine kurzfristige Verbesserung der betrieblichen Lage erhoffen, dürften enttäuscht werden. Selbst Kritiker des Bahn-Managements räumen ein, dass die Probleme tiefgreifender sind und befürworten im Grundsatz den auf mehr als ein Jahrzehnt angelegten Sanierungskurs bei der Infrastruktur.