Der stolze Präsident herzte seinen deutschen Meistermacher immer wieder, nahm Hansi Flicks rechten Arm und reckte ihn demonstrativ nach oben. «Eine historische Saison», sagte Joan Laporta voller Glückseligkeit. Spanischer Fußball-Meister, spanischer Pokalsieger, spanischer Supercopa-Sieger, dazu viermaliger Clásico-Triumphator – und das im ersten Jahr von Flick als Chefcoach des großen FC Barcelona.

«Ich bin wirklich stolz», sagte Flick: «Ich glaube, das Team, das wir hier in Barcelona haben, ist der Maßstab für jeden Verein. Jeder macht seinen Job und ist wichtig, damit wir unsere Ziele erreichen. Keiner denkt, er ist mehr als ein anderer. Es ist wie eine Familie. Ich liebe diese Situation.» 

Auf dem Platz des Stadtrivalen Espanyol ließ Flick die Emotionen noch nicht so raus, stattdessen winkte er seine Spieler schnell in die Kabine. Vor zwei Jahren hatte es – auch damals machte der FC Barcelona den Meistertitel im Stadion von Espanyol klar – einen Platzsturm der heimischen Fans gegeben. Die jubelnden Gästespieler mussten flüchten. 

Autounfall sorgt für Aufsehen 

Zudem drückte am Donnerstagabend auch der schwere Zwischenfall vor dem entscheidenden 2:0 auf die Stimmungslage: Eine verängstigte Frau war mit ihrem Auto durch eine Fan-Ansammlung gefahren und hatte 17 Menschen verletzt. Drei der Opfer wurden am Freitagnachmittag noch in Krankenhäusern behandelt. Ein 41 Jahre alter Mann lag mit einer schwereren Kopfverletzung auf der Intensivstation. Er schwebe aber nicht in Lebensgefahr, hieß es.

Unfall und Platzsturm taten dem Jubel aber kaum einen Abbruch: Spätestens im Kabinengang begann die Partynacht, und Flick freute sich schon auf die Parade heute Abend durch die Straßen Barcelonas nach dem 28. Meistertitel für die Katalanen: «Ich will es genießen. Die Menschen auf den Straßen mit einem Lächeln zu sehen, ist fantastisch.» In Deutschland erlebte er das 2014 als Co-Trainer der Weltmeister-Mannschaft.

Wie es mit Flick in Barcelona begann

Flick übernahm den Barça-Kader im vergangenen Sommer und legte gleich mal eine Serie von sieben Siegen in der Primera División hin. Eine Schwächephase im November und Dezember, während der die Katalanen vier ihrer fünf Saisonniederlagen in der Meisterschaft kassierten, überwand Flick mit seiner Mannschaft. 

Das monatelange Verletzungs-Aus von Kapitän und Stammtorwart Marc-André ter Stegen steckte die Mannschaft weg. Ebenso die schlagzeilenträchtige Hängepartie um den weiteren Einsatz von Dani Olmo, dem die Schuldenlast des Clubs und die Fairplay-Regeln der Liga fast zum Verhängnis geworden wären. 

«Wir haben die Liga gegen alles und jeden gewonnen», betonte Laporta. Der Club-Präsident dankte dabei den Fans: Sie hätten ihnen die Zuversicht auch in der Phase gegeben, als andere versucht hätten, den Club zu destabilisieren.

Auch Messi ist begeistert

Die Fans bekamen dafür spektakulären Fußball geboten, selbst wenn es nicht immer gut ausging, wie im Halbfinale der Champions League. 3:3 im Hinspiel in Barcelona, 3:4 nach Verlängerung im Rückspiel bei Inter Mailand. Das vorzeitige Aus in der Königsklasse bleibt der einzige Makel einer Saison, die auch Lionel Messi aus dem fernen Miami genauestens verfolgte. 

«Glückwünsche», schrieb der 37-Jährige zum Post des FC Barcelona mit dem Meisterpokal der spanischen Liga mit drei klatschenden Hände per Emoji und den Farben der Blaugrana. Messi spielte von 2000 an zunächst für den Nachwuchs des FC Barcelona, eher er dort eine Ära prägte. In 778 Spielen erzielte er 672 Tore, gewann 35 Titel mit Barça. 

Im August 2021 hatte er den Verein unter Tränen verlassen müssen. Nach zwei Jahren bei Paris Saint-Germain spielt Messi seit dem Sommer 2023 für Inter Miami. Und schon im November vergangenen Jahres hatte Messi von Flicks Mannschaft geschwärmt: «Es erfüllt mich mit großem Stolz zu sehen, wie sich die erste Mannschaft im Moment präsentiert. Dieses Barça ist spektakulär und es überrascht mich nicht.»

Raphinha blüht auf: «Hansi Flick hat meine Karriere verändert.» 

Die Rolle des neuen Super-Superstars hat längst Lamine Yamal übernommen. 17 Jahre jung, schon Europameister und Erfolgsgarant des FC Barcelona. Sein Tor zur 1:0-Führung gegen Espanyol – eine Augenweide in den Winkel aus rund 16 Metern. «Der Urheber des 1:0-Treffers hätte nicht poetischer sein können, denn sein linker Fuß markiert den Weg für das Projekt von Flick und Laporta», schrieb «La Vanguardia» aus Barcelona. 

Junge Riesentalente aus der berühmten Nachwuchsschmiede La Masia zusammen mit erfahreneren Spielern, die ebenfalls aufblühen – das ist Barça in dieser Saison. Bestes Beispiel: Raphinha. Er sagt: «Hansi Flick hat meine Karriere verändert.» 

Einst Abschiedsgedanken, jetzt unverzichtbar

Der 28 Jahre Brasilianer dachte schon an Abschied im vergangenen Sommer, nun ist er einer der absoluten Erfolgsgaranten. Ein Blick auf die Zahlen belegt Raphinhas Leistungsexplosion: In der Vorsaison kam er wettbewerbsübergreifend in 37 Einsätzen auf 10 Tore und 13 Vorlagen. In dieser Spielzeit erzielte er in bisher 55 Einsätzen 34 Treffer und legte 25 auf. 

«Eigentlich sollte es Mbappés Liga sein, aber ein arbeitsloser deutscher Trainer hat den gleichen Kader wie in der Saison davor übernommen und ist mit gefräßigen Veteranen und einem Haufen Kinder unter der Führung von Lamine durchgestartet», kommentierte das Sportblatt «As». «Barcelonas eigentlicher Name in der Saison 2024/25 ist Hansi Flick», befand «La Razón».