Nach der unverbindlichen Test-Abstimmung über das Rentenpaket mit vielen Nein-Stimmen will es die Spitze der Unionsfraktion nun genau wissen: Wer von den Abgeordneten den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bei der Bundestagsabstimmung am Freitag ablehnen will, soll das bis 12.00 Uhr der Fraktionsführung melden. Danach bleiben noch gut 48 Stunden Zeit, um Einzelgespräche mit den Abweichlern zu führen. Am Freitag gegen 12.30 Uhr soll die Entscheidung im Bundestag fallen. 

Laut Geschäftsordnung der Fraktion müssen die Abgeordneten ein abweichendes Abstimmungsverhalten eigentlich erst am Vortag der Abstimmung bis 17.00 Uhr beim Parlamentarischen Geschäftsführer Steffen Bilger anzeigen. In diesem besonderen Fall bat die Fraktionsführung aber darum, sich schon 29 Stunden vor dieser Frist zu melden. 

Der Widerstand gegen das Rentenpaket kommt vor allem aus der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sich seit Monaten wegen der aus ihrer Sicht viel zu hohen Folgekosten gegen das Rentenpaket stemmt. Zu ihr zählen 18 Abgeordnete, die zu Beginn der Legislaturperiode höchstens 35 Jahre alt waren.

Zwischen 10 und 20 Nein-Stimmen

In der Fraktionssitzung wurde am Dienstag per Handzeichen ein unverbindliches Meinungsbild erstellt. Nach unterschiedlichen Darstellungen lag die Zahl der Nein-Stimmen zwischen 10 und 20. Die Zahl der Enthaltungen wurde auf eine Handvoll geschätzt. CDU, CSU und SPD haben aber nur zwölf Stimmen Mehrheit im Parlament.

Die Fraktionsführung geht davon aus, dass ein Großteil der Gegenstimmen lediglich als Zeichen des Unmuts zu werten ist, aber noch nichts über das tatsächliche Abstimmungsverhalten aussagt. «Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir es am Freitag hinbekommen», sagte Bilger der ARD.

Merz fordert stabile Mehrheit – «Alles andere führt uns ins Elend»

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte in der Fraktionssitzung den Ernst der Lage deutlich gemacht und darauf verwiesen, dass Deutschland zu den wenigen Ländern mit einer stabilen Regierung in Europa zähle. Wenn die Abstimmung am Freitag scheitere, würde das zu einer Destabilisierung Deutschlands und Europas führen, warnte der CDU-Vorsitzende nach Angaben aus seinem Umfeld. «Ich akzeptiere hier, in unserem Kreis, jede Nein-Stimme und jeden Zweifel. Aber da unten (im Plenum des Bundestags) brauchen wir eine stabile politische Mehrheit», wird er zitiert. «Alles andere führt uns ins Elend.»

Wie viele Gegenstimmen aus den eigenen Reihen für die Koalition verkraftbar sind, hängt davon ab, wie viele Abgeordnete am Freitag anwesend sind. Wenn alle da wären, bräuchte die Koalition 316 von 630 Stimmen für eine eigene Mehrheit. CDU, CSU und SPD kommen zusammen auf 328 Stimmen. Geht man von etwa 15 Gegenstimmen und 5 Enthaltungen wie bei der Test-Abstimmung aus, wären es nur noch 308.

Nur einer der Jungen hat sich öffentlich festgelegt

Öffentlich auf ein Abstimmungsverhalten festgelegt hat sich von den jungen Abgeordneten bisher nur der CDU-Abgeordnete Daniel Kölbl. «Ich habe mich dafür entschieden, dem Rentenpaket zuzustimmen im Zweifel, damit es im Endeffekt eine Mehrheit gibt», sagte er nach der Fraktionssitzung. «Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die wir jetzt haben. Die brauchen wir auch zukünftig.» 

Ein Nein zum Gesetzentwurf soll der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, am Montag in der CDU-Vorstandssitzung laut Teilnehmern angekündigt haben. In der Fraktionssitzung wiederholte er das aber nicht – genauso wenig wie der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig. Öffentlich haben sich beide noch nicht erklärt.

Kritik an Bas von Spahn und Merz

In der Union gibt es unterdessen deutlichen Unmut über die Äußerungen von Bas auf dem Juso-Bundeskongress am Wochenende. Die SPD-Chefin hatte dort von ihrem Auftritt auf dem Arbeitgebertag berichtet und gesagt, dort sei ihr «besonders deutlich geworden (…), gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen». 

Auch Merz kritisierte sie nun in der Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben dafür. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte ihr bereits zuvor nahe gelegt, die Irritationen auszuräumen. In der Hitze einer Debatte könne sicherlich die eine oder andere Aussage durchrutschen. Er habe aber auch die Erwartung, dass die Ministerin mit den Arbeitgebern «ein klärendes Gespräch führt, um das aufzulösen».