Eine Katze ins Haus zu holen, verändert den Alltag. Noch mehr, wenn das Tier ein Handicap hat, wie etwa fehlendes Sehvermögen. Wer sich für ein blindes Tier entscheidet, schenkt nicht nur einem oft übersehenen Tier ein Zuhause, sondern übernimmt auch eine besondere Verantwortung. Mit etwas Geduld, ein paar Anpassungen und viel Zuwendung können blinde Katzen jedoch ein ebenso erfülltes Leben führen wie ihre sehenden Artgenossen.
«Wer eine Katze mit Handicap adoptieren möchte, sollte sich der Verantwortung bewusst sein und sich ausreichend über das Tier und seine Bedürfnisse informieren», sagt Hester Pommerening vom Deutschen Tierschutzbund. Gleichzeitig seien es aber ganz normale Katzen – auch sie sehnen sich wie alle anderen nach Aufmerksamkeit, Liebe und Akzeptanz.
Auch blinde Katzen können Mäuse jagen
Entscheidend sei, die Ansprüche und Bedürfnisse einer Katze zu kennen, ganz unabhängig davon, ob sie ein Handicap hat oder nicht. Pommerening rät, blinde Katzen nicht übermäßig zu behüten. «Sie brauchen kein Mitleid und sollten die Chance bekommen, ein normales Katzenleben zu führen.»
Ihr Gehör, der Geruchssinn und die hochempfindlichen Schnurrharre helfen blinden Katzen, auch ohne Augenlicht zurechtzukommen. So seien sie durchaus in der Lage, Mäuse sogar zu jagen. Denn durch Luftströme können sie mit ihren Tasthaaren Bewegungsreize wahrnehmen.
Teure Tierarztbesuche wegen Blindheit?
Die Ursachen für Blindheit sind vielfältig: Sie kann angeboren sein oder durch einen Unfall, eine Vergiftung, Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck entstehen. Auch im Alter kann das Sehvermögen langsam nachlassen. «Ob häufigere Tierarztbesuche notwendig sind und ob diese hohe Kosten mit sich bringen, hängt von der Ursache der Blindheit ab», sagt Pommerening.
Tiere aus dem Tierheim werden vor der Vermittlung gründlich untersucht. In der Regel werden Interessierte darüber informiert, welche Behandlungen künftig für das Tier notwendig sind und auch mit welchen Ausgaben ungefähr zu rechnen ist.
Gefahrenquellen in der Wohnung reduzieren
Wie der Alltag mit einer blinden Katze am besten gelingt, weiß Heimtier-Expertin Sabrina Karl von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. «Zuerst sollte man unbedingt aus dem Blickwinkel der Katze die Wohnung nach möglichen Gefahren scannen», rät sie. Fenster sollten geschlossen oder mit einem Netz gesichert sein. Das gilt auch für Balkone. «Für Kippfenster gibt es spezielle Sicherungen.»
Ähnlich wie bei kleinen Kindern empfiehlt es sich, scharfe Möbelkanten abzupolstern, zumindest so lange, bis die Katze gelernt hat, ihnen auszuweichen. Ebenso sollte man steile Treppen und alle Bereiche, die für die Katze mit einer Verletzungsgefahr verbunden sind, mit einem Babygitter absperren, so Sabrina Karl.
Kabel, Lichterketten oder Schnüre dürfen weder zur Stolperfalle werden noch zum Spielen oder Knabbern einladen. Auch beim Katzenklo kommt es auf die Details an: Der Rand sollte möglichst niedrig sein und ein Klohäuschen kommt am besten ohne Klapptür aus, sagt Karl. Bewegliche Regale und Schubladen lassen sich mit Babysicherungen sichern.
Der Alltag mit einer blinden Katze
Blinde Katzen orientieren sich in der Wohnung über Hören, Geruch und Tastsinn. Kleine Orientierungshilfen erleichtern ihnen dabei den Alltag. Zum Beispiel können unterschiedliche Bodenstrukturen oder Gerüche in der Nähe von Futternäpfen und Katzenklo und ein plätschernder Trinkbrunnen helfen. Katzenfreundliche Rampen machen erhöhte Liegeplätze erreichbar. Die Wohnung sollte möglichst unverändert bleiben, da jede größere Umgestaltung neuen Stress bedeutet.
«Bevor das Tier gestreichelt wird, muss man es ansprechen, sodass es auf die Berührung vorbereitet ist und nicht erschrickt, kratzt oder zubeißt», sagt Karl. Es sei außerdem hilfreich, viel mit der Katze zu sprechen. Denn dadurch weiß sie jederzeit, wo man sich aufhält. Wichtig ist auch, die Katze im Blick zu behalten – um versehentliche Tritte zu vermeiden.
Freigang und Beschäftigung für blinde Katzen
Komplett auf Freigang muss eine blinde Katze nicht verzichten: Ein sicher eingezäunter Garten oder ein katzensicherer Balkon bieten ihr frische Luft und Abwechslung. «Freigang an der Leine und einem Katzengeschirr ist eine Option, muss aber vorher vorsichtig und positiv trainiert worden sein», sagt Sabrina Karl. Im Garten sollte das Tier vor Dornen, scharfen Kanten und angriffsfreudigen Nachbarkatzen geschützt werden.
Und: Man sollte dafür sorgen, dass sich die Katze nicht langweilt. Karl rät dafür, die anderen Sinne gezielt anzusprechen. So kann etwa Spielzeug mit Glöckchen oder knisterndem Material sinnvoll sein, damit die Katze spielt und sich ausreichend bewegt. Baldrian- oder Katzenminze-Kissen sprechen den Geruchssinn an, Duftspuren in der Wohnung regen zur Suche an.
Für den Tastsinn eignen sich «Entdeckerecken» mit verschiedenen katzenfreundlichen Materialien oder Versteckboxen. Für den Geschmack gibt es Leckmatten oder spezielle Pasten, die die Katze ablecken kann. Und auch geistige Auslastung ist wichtig: «Nicht zu vergessen ist effektives Clickertraining, um kleine, katzengerechte Tricks beizubringen», sagt Karl.