Bei einem Aktionstag gegen Hass und Hetze im Netz hat die Polizei bundesweit Dutzende Wohnungen durchsucht und zahlreiche Beschuldigte vernommen. Wie das Bundeskriminalamt (BKA) mitteilte, gingen die Strafverfolgungsbehörden mit über 180 polizeilichen Maßnahmen in mehr als 140 Ermittlungsverfahren gegen strafbare Hass-Botschaften vor. Mehr als 65 Durchsuchungsbeschlüsse seien umgesetzt, zahlreiche Beschuldigte vernommen worden.

Volksverhetzung und Beleidigung

Den Beschuldigten wird unter anderem Volksverhetzung, die Beleidigung von Politikern und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vorgeworfen. In einigen Ermittlungsverfahren ging es um die Belohnung und Billigung von Straftaten. Laut BKA waren rund zwei Drittel der strafbaren Äußerungen dem rechten Spektrum zuzuordnen. 

«Digitale Brandstifter» zur Rechenschaft ziehen

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte: «Digitale Brandstifter dürfen sich nicht hinter ihren Handys oder Computern verstecken können.» Der Minister sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Viele Menschen haben den Unterschied zwischen Hass und Meinung verlernt.» 

In NRW werden 14 der Verfahren geführt, um die es bei dem Aktionstag geht. So soll ein Beschuldigter bei X (früher Twitter) geschrieben haben: «„Heil Hitler!! Nochmal. Wir sind Deutsche und eine erfolgreiche Nation. Männliche Ausländer raus.»

Mehr gemeldete Fälle

Der Aktionstag fand zum zwölften Mal statt. Das BKA, das den Aktionstag zur Bekämpfung strafbarer Hasspostings mit den Behörden der Länder koordiniert, stellt seit Jahren einen deutlichen Anstieg der erfassten Fälle fest. Von 2021 bis 2024 (10.732 Fälle) habe sich die Zahl der polizeibekannten Fälle mehr als vervierfacht. Laut BKA nimmt die Hetze einerseits tatsächlich zu, andererseits werden durch die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) allerdings auch immer mehr strafbare Inhalte aufgedeckt.

Das Bundeskriminalamt rief Bürgerinnen und Bürger auf, Anzeige zu erstatten, wenn sie im Netz auf Hasspostings stoßen oder selbst Opfer von Online-Hetze geworden sind. Wichtig sei es auch, solche Posts bei den Anbietern sozialer Netzwerke zu melden und eine Löschung strafbarer Inhalte zu verlangen.

Koalitionsvertrag sieht Änderungen vor

Da das nicht immer einfach ist, hat sich die schwarz-rote Koalition vorgenommen, ein Digitales Gewaltschutzgesetz zu schaffen. Es soll die Rechtsstellung Betroffener verbessern und die Sperrung auch anonymer Hass-Accounts mit strafbaren Inhalten ermöglichen. Plattformen sollen Schnittstellen zu Strafverfolgungsbehörden bereitstellen, damit relevante
Daten automatisiert und schnell abgerufen werden
können.

Die «Meldestelle Respect!» sagte auf dpa-Anfrage, die Plattformen müssten dringend mehr Verantwortung übernehmen und konkrete Sicherheitsmaßnahmen umsetzen. Die in Berlin angesiedelte Organisation HateAid kritisierte, Plattformen wie X oder Facebook ignorierten Hinweise und Meldungen noch zu häufig. 

Digitale Gewalt kann alle treffen

Digitale Gewalt «zieht sich durch alle Teile der Gesellschaft», betonte «Respect!». Aus Bildungsangeboten an Schulen wisse man, dass auch viele Jugendliche und junge Erwachsene nahezu täglich mit Hass und Hetze im Netz konfrontiert seien. «Viele von ihnen – sowohl Einzelpersonen als auch ganze Gruppen – fühlen sich im Umgang mit digitaler Gewalt alleingelassen und ohnmächtig.» 

Die gemeldeten Inhalte seien nicht nur digital verletzend, sondern wirkten häufig auch in die Lebensrealitäten der Betroffenen hinein, berichtet die Meldestelle. Sozialarbeiterin Claudia Otte-Galle von der gemeinnützigen Organisation HateAid: «Es passiert selten, aber es passiert definitiv, dass digitale Gewalt in analoge Gewalt umschlägt.» Aus der Beratung kenne man schwerwiegende Fälle, in denen es zu nachhaltiger Rufschädigung gekommen sei, zu Depressionen oder Angststörungen, Betroffene hätten den Wohnort wechseln müssen. Das Bewusstsein für die Problematik sei aber gewachsen.