Beschäftigte im Einzelhandel sind laut einer Auswertung der AOK Rheinland/Hamburg so häufig krankgeschrieben wie seit über 20 Jahren nicht. Der Krankenstand stieg im vergangenen Jahr demnach auf 7,14 Prozent – den höchsten Wert seit Beginn der Erhebung 2003. Damit waren täglich mehr als 7 von 100 Angestellten im Einzelhandel arbeitsunfähig. 2015 lag die Quote nach Angaben der gesetzlichen Krankenversicherung noch bei 5,28 Prozent. 

Für die Untersuchung wurden die Daten von über 100.000 im Einzelhandel beschäftigten Versicherten ausgewertet. Die Gesundheitskasse betreut nach eigenen Angaben rund drei Millionen Versicherte.

Besonders auffällig ist laut AOK der starke Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen. 2024 war jede beziehungsweise jeder Beschäftigte im Schnitt 5,7 Tage wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Vor zehn Jahren lag der Wert noch bei 3,9 Tagen. Die Zahl der Fehltage ist seitdem um fast 50 Prozent gestiegen. 

Handelsverband für Abschaffung telefonischer Krankschreibung

Die Geschäftsführerin des Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung der AOK Rheinland/Hamburg, Merit Kirch, nennt mehrere Gründe. «Dazu zählen eine hohe psychische Belastung durch den intensiven Kundenkontakt, die angespannte Personalsituation, Sorgen um den Arbeitsplatz sowie zunehmender Kostendruck und der wachsende Wettbewerb durch den Onlinehandel.» 

Der stationäre Einzelhandel hat seit längerem mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Zwischen August 2024 und August 2025 registrierte der Kreditversicherer Allianz Trade 2.490 Insolvenzen – so viele wie seit Jahren nicht mehr.

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland, Stefan Genth, sagte: Der hohe Krankenstand belaste die Unternehmen in schwierigen Zeiten zusätzlich und schwäche die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Eine Ursache dafür sieht er in der telefonischen Krankschreibung. Der Verband fordert, diese wieder abzuschaffen. Nach zwei Jahren könne man genau sehen, ob es zu einem Rückgang der Krankschreibungen gekommen sei, so Genth.

Die Möglichkeit, sich per Telefon krankschreiben zu lassen, war in der Corona-Pandemie eingeführt worden. Ende 2023 trat eine dauerhafte Regelung in Kraft.

In anderen Branchen ist der Krankenstand höher

Der Krankenstand im Einzelhandel lag der Analyse zufolge 2024 allerdings weiterhin leicht unter dem branchenübergreifenden Durchschnitt von 7,18 Prozent. Ein möglicher Grund: Die Beschäftigten im Einzelhandel sind mit 37,7 Jahren im Durchschnitt deutlich jünger als in anderen Branchen (41 Jahre).

In anderen Bereichen sind die Krankenstände höher. In der Pflege lag die Quote 2024 bei 9,36 Prozent, in der Metallerzeugung bei 9,33 Prozent und in der öffentlichen Verwaltung bei 8,70 Prozent. Deutlich niedriger ist der Anteil unter anderem in der Branche Finanzen/Versicherungen (5 Prozent) und im Gastgewerbe (4,84 Prozent).