An diesen Moment am Frühstückstisch erinnert sich die künftige IOC-Präsidentin Kirsty Coventry noch genau. «Mein Mann kicherte beim Lesen der Schlagzeilen und fragte mich: Ist dir klar, dass du jetzt die mächtigste Frau des Sports bist? Ich sagte: Wovon sprichst du?», erzählt die 41-Jährige aus Simbabwe, die am Montag Thomas Bach an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees ablösen wird. Coventry wird die Dachorganisation als erste Frau führen und als erste Afrikanerin.

Um Macht an sich sei es bei ihrer nun gekrönten Laufbahn als Funktionärin nie gegangen, versichert die einstige Weltklasse-Schwimmerin. «So bin ich nicht. Es ging mir nicht um den Titel. Das hat mich nicht dazu gebracht, das zu machen», sagt Coventry. 

In einer 75-minütigen Zeremonie im IOC-Hauptquartier in Lausanne wird sie am Montagmittag formell die Geschäfte von Bach übernehmen. Der Unterfranke verlässt den Posten nach zwölf Jahren am Ende seiner zweiten Amtszeit. Coventry war unter den sieben Bewerbern seine Wunsch-Nachfolgerin. Den Verdacht, Bach habe sich vor der Wahl unzulässig für Coventry eingesetzt, weist das IOC mit Verweis auf nicht vorliegende Beschwerden bei der Ethikkommission zurück. «Sie ist tief in den olympischen Werten verwurzelt. Ich weiß das IOC in den bestmöglichen Händen», sagt der 71-Jährige.

Neue IOC-Chefin setzt auf Ubuntu-Philosophie

In den drei Monaten seit der Wahl von Coventry in einem griechischen Edelressort haben Bach und die IOC-Spitzen der neuen Chefin den Weg bereitet. «Das war sehr hilfreich», beteuerte die zweimalige Olympiasiegerin. Jeden mitnehmen, jeden anhören – diesen Politikansatz beschreibt Coventry immer wieder für sich. Die Ubuntu-Philosophie aus dem südlichen Afrika nennt sie als ihr Lebensmotto: Teil eines Ganzen sein, Menschlichkeit, Gemeinsinn.

Mehr als zuletzt Bach will Coventry ihren Ankündigungen zufolge wohl die IOC-Mitglieder an zentralen Entscheidungen und neuen Strategien beteiligen. Direkt nach der Amtsübergabe hat sie den Ringe-Zirkel eingeladen, für einen zweitägigen Workshop in Lausanne zu bleiben. «Innehalten und reflektieren, andere Ideen entwickeln» wolle sie mit den IOC-Mitgliedern direkt zum Start in ihre Präsidentschaft, sagt Coventry.

Unter Bach waren in den vergangenen Jahren die meisten Entscheidungen im kleinen Kreis des Exekutivkomitees getroffen worden. Auch Coventry gehörte diesem Kreis an, blieb stets streng auf Kurs. Größere Debatten oder gar Widerspruch auf offener Bühne gab es beim IOC ohnehin lange nicht mehr. Sie werde auf offenen Dialog setzen, verspricht Coventry. Schwierige Themen gibt es in einer zerrissenen und von aufgeheizten Konflikten geprägten Welt zuhauf.

Emotionale Achterbahn für zweifache Mutter 

Auch in einer anderen Stilfrage möchte sich die frühere Sportministerin von Simbabwe von ihrem Vorgänger abheben. Bach logierte bei seinen Aufenthalten am IOC-Stammsitz für gewöhnlich im Fünf-Sterne-Hotel «Lausanne Palace», das hat die zweifache Mutter Coventry nicht vor. «Ich will, dass meine Kinder so aufwachsen wie ich: Betten machen, Aufgaben erledigen, einfach auch Kind sein.»

Bescheidenheit sei ihr wichtig, auch künftig am Boden zu bleiben, wiederholt Coventry auf so manche Frage nach ihren Prinzipien. Ihre Rolle als Mutter soll ihr dabei helfen, die sie als «das Beste der Welt» beschreibt. «Kinder sind ehrlich, das ist eine sehr gute Sache», sagt Coventry.

Kurz nach der Geburt ihrer zweiten Tochter war sie in den Wahlkampf um die IOC-Präsidentschaft gezogen. «Verrückt, hart, eine emotionale Achterbahnfahrt» sei die Zeit seither gewesen. Inzwischen haben sich die Dinge sortiert. Ihr Ministeramt hat sie abgegeben, lebt schon einige Wochen mit ihrer kleinen Tochter in Lausanne. Ihr Mann und ihre ältere Tochter zogen in den Tagen vor ihrer Amtsübernahme auch in die Schweiz um. 

Immer das nächste Ziel vor Augen zu haben, das treibe sie an, sagt Coventry. Schon als Neunjährige habe sie als Athletin zu Olympia gewollt. Wegen ihres großen Ehrgeizes sei sie von Kartenspielen in der Familie ausgeschlossen worden. Zwischen Sydney 2000 und Rio 2016 nahm Coventry an fünf Sommerspielen teil, stieg mit sieben Medaillen zur erfolgreichsten Olympionikin ihres Landes auf. Als Athletenvertreterin rückte sie 2013 ins IOC. 

Als Inspiration sei sie von Frauen und Menschen aus Afrika nach ihrer Wahl in Grußbotschaften gefeiert worden, berichtet Coventry. Einzeln vorlesen mag sie daraus nicht, zu schnell würden dann Tränen fließen, sagt sie. «Ich werde mich daran erinnern, wenn der Weg steinig wird», fügt die neue IOC-Präsidentin hinzu.