Tanken oder Laden? Das ist für Autofahrer mittlerweile nicht mehr nur eine Frage von Klimaschutz einerseits und Komfort andererseits, sondern vor allem eine Rechenaufgabe.

Denn auch wenn die Kosten von Verbrenner-Fahrzeugen und E-Autos nach wie vor weit auseinander liegen, ist mit dem Kauf alleine längst nicht entschieden, wer am Ende das Rennen macht.

«Sondern wer wirklich wissen will, was für ihn billiger ist, der muss den gesamten Zeitraum von der Anschaffung bis zum Wiederverkauf bedenken und kommt dabei bisweilen auf überraschende Ergebnisse», sagt Marcus Zacher.

Er ist Chefredakteur des Magazins «Elektroautomobil» und nennt als wichtigste Größen in dieser Gleichung neben dem Kaufpreis die Energiekosten, die Ausgaben für Unterhalt, Wartung und Reparaturen sowie den Wertverlust am Ende der Nutzungszeit.

Preise nähern sich an – vor allem beim genauen Hinschauen

Der Preisvergleich bei der Anschaffung ist dabei am einfachsten – und stimmt die E-Fahrer optimistisch: «Es ist eine deutliche Annäherung von Verbrennern und E-Modellen zu sehen», sagt Zacher. Allerdings dürfe man dafür nicht nur in die Preislisten schauen, sondern müsse auch Rabattaktionen und Herstellerzuschüsse berücksichtigen.

Auf dem Papier findet man sonst nach wie vor eine große Preisspanne: Ein elektrischer Renault R5 zum Beispiel startet bei 27.900 Euro, während es einen sogar etwas größeren Renault Clio schon ab 19.350 Euro gibt. Beim Fiat Grande Panda liegen zwischen den Modellen mit Batterie und Benzintank 6.000 Euro, beim BMW X2 beträgt der Preisunterschied für vergleichbare Fahrzeuge gute 2.000, beim Audi A6 Avant liegen die Einstiegsmodelle gute 6.000 Euro auseinander und zwischen Mercedes S-Klasse und EQS liegen 2.200 Euro.

Die Anschaffung mag der größte Posten sein. Aber sie ist nur einer von vielen. Und sie ist irgendwann zumindest in Gedanken abgehakt und abgeschrieben. Mit den laufenden Kosten dagegen jongliert man über die gesamte Zeit, die man einen Wagen besitzt.

Die Rechnungen fürs Tanken oder fürs Laden

Wie weit alleine Tank- und Laderechnung auseinander liegen können, dürften gerade jetzt im Sommer viele Urlaubsreisende erlebt haben. Strom ist – so hat es zuletzt etwa der Ökostromanbieter Lichtblick ermittelt – keineswegs billiger als Sprit. Für 100 Kilometer zahlten E-Auto-Fahrer danach im Frühsommer an öffentlichen Normalladesäulen im Schnitt 10,45 Euro (bei 20 Kilowattstunden Stromverbrauch). An Schnellladesäulen wurden sogar 12,06 Euro fällig. Für sechs Liter Benzin – die über alle Fahrzeugklassen als vernünftiger Durchschnitt gelten – hingegen wurden zum Zeitpunkt der Untersuchung gut zehn Euro fällig (bezogen auf 6 Liter Super/100 km).

Entscheidend ist, wo der Strom herkommt – vom eigenen Dach?

Aber das stimmt nur eingeschränkt, sagt Zacher. Denn erstens gebe es den Strom nirgendwo günstiger als zu Hause, am besten noch von der eigenen Solaranlage. «Wohingegen wohl niemand daheim seinen eigenen Kraftstoff tanken kann.» Und selbst unterwegs gibt es ein paar entscheidende Unterschiede: «Anders als Benzin und Diesel kauft man den Strom für sein E-Auto am besten mit Vertrag.»

Wer sich an einen Anbieter binde und nur an ausgewählten Partnersäulen lädt, der zahle überall den gleichen Preis und könne oft viel Geld sparen. So hat der ADAC in München gerade ermittelt, dass sogenanntes Ad-hoc-Laden ohne Vertragsbindung bis zu zwei Drittel teurer sei. Dann kostet eine kWh statt 52 schnell mal 84 Cent.

Und wenn mal keine präferierte Säule in der Nähe ist, gilt für E-Fahrer das gleiche wie für alle anderen Pkw-Reisenden: «Man sucht sich online einen billigen Boxenstopp. Genau wie bei Sprit gibt’s auch bei Strom große Preisunterschiede, die schon mal einen kleinen Umweg rechtfertigen», so Zacher. «Im Verbrenner fährt man ja auch von der Autobahn runter, wenn man sparen will»

Verbrauchsfahrt mit zwei SUV – Verbrenner gegen E-Modell

Wie das im Alltag aussehen kann, zeigt ein Vergleich mit zwei nahezu identischen Porsche Macan, einem V6-Benziner mit 279 kW/380 PS und dem neuen E-Modell mit 300 kW/408 PS und einem Preisunterschied von 4.500 Euro zugunsten des Benziners, die auf einer simulierten Urlaubsreise im Konvoi von Stuttgart nach Siena in der Toskana gefahren sind. 

Was dabei auffällt, sind zum einen die unterschiedlichen Verbrauchsprofile: Während der Verbrenner auf der Autobahn nahe an seinem Normverbrauch bleibt, zehren hohe Geschwindigkeiten beim E-Auto über Gebühr an der Reichweite.

Dafür schlägt die Stunde des Stromers bei den Fahrten über die Alpenpässe, weil die Rekuperation beim Bergabfahren den Mehrverbrauch in den Steigungen mehr als kompensiert. Da sieht der Verbrenner vergleichsweise schlecht aus. Und zum anderen fährt man beide Autos mit anderer Strategie: Getankt wird nur, wenn’s wirklich nötig ist. Aber beim Laden nutzt man fast jede Gelegenheit. Hier ein Stopp beim Autogrill, dort eine Pizza am Abend: Wenn es in der Nähe eine Säule hat, wird fast automatisch eingestöpselt. 

Am Ende ist Zeit für den Kassensturz

Beim Kassensturz nach rund 1.000 Kilometern hat der Verbrenner 158 Liter Super für 254 Euro verbraucht; für das E-Modell stehen 226 kWh und 142 Euro zu Buche. Das reicht, um sich die längere Reisezeit mit reichlich Gelato zu versüßen.

Aber nicht nur auf dieser einen Fahrt steht das E-Auto besser da als der Benziner, rechnet Porsche-Sprecher Ben Weinberger vor. Er kommt bei 60.000 Kilometern mit Normverbrauch und einem Benzinpreis von 1,80 Euro pro Liter auf eine Tankrechnung von 12.636 Euro, während der Macan E nur für 4.939,40 Euro laden muss – zumindest, so lange er im Porsche-Netzwerk für pauschal 39 Cent pro kWh unterwegs ist.

Dazu kommt auch bei den weiteren Kosten ein Vorteil für das E-Modell, verweist Weinberger auf ADAC-Berechnungen. Danach summieren sich beim Macan S Inspektionen, Zusatzarbeiten und Kfz-Steuer auf etwa 5.019 Euro über vier Jahre. Beim Macan 4 liegt der gleiche Aufwand bei lediglich 884 Euro, da Elektroautos wartungsärmer sind und die Kfz-Steuer derzeit entfällt. Das ergibt eine weitere Einsparung von über 4.100 Euro. Unter dem Strich sind das nach vier Jahren trotz des höheren Kaufpreises gut 7.000 Euro Vorteil für den E-Macan, rechnet Weinberger vor.

Solange nichts kaputtgeht…

Die Rechnung mag richtig sein, hat aber auch ein paar Haken. Der Steuerbonus ist unbestritten. Und die Wartung bei Elektroautos ist nicht nur bei Porsche günstiger als beim Benziner, sondern generell. So hat etwa der Ladenetzbetreiber EnBW einen Kostenvorteil von durchschnittlich 35 Prozent, das Hamburger Fachmagazin «Auto Bild» ermittelt beim Vergleich der Bestseller VW ID.3 und Golf sogar 50 Prozent.

Aber wenn mal etwas kaputtgeht, dann kann es beim E-Auto richtig ins Geld gehen, so Dekra. Die Notwendigkeit von Spezialwerkzeug und speziell geschulten Mitarbeitern, lange Montagezeiten sowie die teuren Ersatzteile für Akku und Antrieb sorgten für rund 50 Prozent höhere Reparaturkosten, so die Sachverständigen-Organisation.

Beim Wiederverkauf kann es wieder schmerzlich werden

Und das dicke Ende kommt zum Schluss: Jeder mögliche Kostenvorteil wird aufgezehrt, wenn es an den Wiederverkauf geht. «Noch haben Elektrofahrzeuge einen deutlich höheren Wertverlust als Verbrenner», sagt Magazin-Redakteur Zacher, mahnt aber zugleich an, dass man dabei bisweilen die früher über 9.000 Euro hohe Umweltprämie vergisst und nicht einfach Listenpreise vergleichen darf.

Dennoch haben laut einer aktuellen Analyse des Münchner Strategieberaters Berylls gebrauchte Stromer nach drei Jahren im Durchschnitt einen um 6.400 Euro geringeren Restwert als vergleichbare Benziner. Und je teurer die Autos werden, desto weiter geht die Schere auseinander: Porsches elektrischer Erstling Taycan zum Beispiel verliert je nach Modell nach unterschiedlichen Analysen und Anzeigen-Auswertungen schon im ersten Jahr teilweise bis zu 50 Prozent seines Wertes. Und das bei einer Marke, die sonst für besonders stabile Restwerte und zum Teil sogar für Wertsteigerungen bekannt ist.

Lösen lässt sich dieses Problem zwar aktuell allenfalls mit Leasing statt Kauf, räumt E-Experte Zacher ein. Doch man kann es buchstäblich aussitzen – und sein aktuelles Elektroauto einfach weiter fahren.