Plötzlich trifft gleißendes Licht die Augen, die Sicht ist eingeschränkt. Sekunden vergehen, in denen Autofahrerinnen und Autofahrer beinahe blind unterwegs sind. Gerade in Herbst- und Wintermonaten ist die Gefahr durch Blendung besonders groß.

Blendung im Straßenverkehr ist eine unterschätzte Gefahr, die jeder Autofahrer regelmäßig erlebt. Besonders häufig tritt Blendung durch die tief stehende Sonne auf. Spiegelungen von nasser Fahrbahn, Eis oder Schneeflächen verstärken den Effekt zusätzlich. Daneben sind entgegenkommende Fahrzeuge häufige Ursache.

«Der hat doch noch Fernlicht an» – der Gegenverkehr blendet

«Die Lichttechnik hat in den vergangenen 60 Jahren große Fortschritte gemacht. Dadurch haben sich Sicht und Wahrnehmung deutlich verbessert, aber die Blendung hat ebenfalls zugenommen», sagt Barend Hauwetter als Referatsleiter Fahrzeugtechnik vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). 

Falsch eingestellte Scheinwerfer, auch bei Fahrrädern mit LED-Strahlern, können andere Verkehrsteilnehmer stark blenden, ebenso wie eine besonders hügelige Straße, wo die Lichtkegel sich eben gemäß dem Straßenverlauf senken und heben.

Aber auch unachtsam genutztes Fernlicht oder besonders intensive LED- und Xenon-Lichter blenden stark. Auch der Designtrend hin zu immer kleineren und schmaleren Scheinwerfern führt dazu, dass die ins Auge strahlende Lichtintensität zugenommen hat.

Wer stark geblendet wird, kann die Kontrolle verlieren

Eine gefährliche Entwicklung. Denn bei einer Beeinträchtigung der Sicht verlängert sich die Reaktionszeit und der Pilot fährt für Sekunden blind. Das führt zu Stress und Ermüden, die Konzentration kann nachlassen und Ablenkungen vermehrt auftreten. Ältere Menschen reagieren zudem meist empfindlicher auf Blendung als jüngere.

Bei Blendung durch den rückwärtigen Verkehr im Innenspiegel hilft nur, die manuelle Abblendfunktion zu betätigen – meist ein kleiner Hebel unterhalb des Spiegelgehäuses, der das reflektierte Licht reduziert. Modernere Autos setzen auf automatisch sich dimmende Innenspiegel.

Bessere Rücksicht: Technische Lösungen für den Rückspiegel

Zulieferer bieten mittlerweile auch digitale Innenspiegel mit hochauflösenden Displays und Kameras statt herkömmlicher Spiegel an. Weltweit ist etwa das System des Herstellers Gentex laut Eigenaussage in über 140 Fahrzeugmodellen als Serien- oder Sonderausstattung verfügbar. Der digitale Innenspiegel (Full Display Mirror) kann aktuell etwa beim neuen VW Transporter den klassischen Rückspiegel durch ein Kamerabild ersetzen und verhindert so störende Blendungen. Starke Lichtquellen dimmt das System automatisch runter.

Gleichzeitig vergrößert der digitale Innenspiegel das Sichtfeld um das Vierfache und bleibt unabhängig von Ladung oder Passagieren stets frei – denn das Rückfahrbild wird von einer Live-Kamera im Heck aufgenommen.

Per Taste kann der Fahrer auf den klassischen Spiegel wechseln. Optional sind Zusatzfunktionen wie Baby- oder Trailer-Kamera, Dashcam oder Totwinkelanzeige möglich. Der Preis bei VW etwa liegt dafür einzeln bei rund 1380 Euro, kann aber auch Bestandteil eines Pakets sein.

Ein großes Problem sieht auch Burkhard Böttcher als ADAC-Fachreferent Fahrzeugtechnik in den Reflexionen in den Außenspiegeln. «Während abblendbare Innenspiegel gut funktionieren, gibt es bei Außenspiegel keine Möglichkeit das Blenden zu verhindern», sagt er.

Da helfe nur, den Blickwinkel ändern. Auf spezielle Folien auf Spiegeln und Frontscheibe, die über zehn Prozent der Helligkeit nehmen, sollten Autofahrer übrigens verzichten – sie sind verboten. 

Als Hilfe bleiben digitale Außenspiegel mit innenliegenden Monitoren an den Türen anstatt normaler Spiegel. Audi bietet aktuell für den A6 Avant e-tron einen «virtuellen Außenspiegel» als Option an, was rund 1.450 Euro kostet.

Doch auch digitale Lösungen sind nicht immer perfekt

Auch wenn sich die digitalen Lösungen auch aus Kostengründen in der Fahrzeugmasse nicht voll durchgesetzt haben: Sind die digitalen Rückspiegel dennoch weiter die Lösung fürs blendfreie Fahren?

Innenspiegel, die über Kameras den rückwärtigen Verkehr projizieren, sieht Burkhard Böttcher kritisch. «Kameras verhindern zwar das Blenden, weil sie weniger dynamisch arbeiten als das menschliche Auge. Autofahrer mit Gleitsichtbrille können den Mini-Bildschirm am Dachhimmel aber aus nächster Nähe kaum erkennen», sagt er.

Denn der Innenspiegel liegt in der Regel näher am Fahrer als der Monitor in der Mittelkonsole. Außerdem stellt ein digitaler Innenspiegel als Monitor fürs menschliche Auge eine andere Tiefenwahrnehmung dar als ein herkömmlicher Spiegel.

«Hinzu kommt, dass die Detailgenauigkeit deutlich geringer ausfällt und sich Abstände kaum schätzen lassen». Auch beim Flickering, der Überlagerung von LED-Scheinwerfern und Sondersignalen wie Blaulicht mit der Kamera, gebe es immer wieder Probleme.

Ist Nachrüsten eine Option?

Während sich analoge Rückspiegel bei vielen Fahrzeugen durch selbstabblendbare oder gar digitale Rückspiegel nachrüsten lassen – zum Teil mit hohem Aufwand, ist das bei den Außenspiegeln nicht möglich. Kameras, Steuergeräte und Displays müssen miteinander verbunden werden. Zudem unterliegt das System den Zulassungsvorschriften nach ECE-R46, sodass eine nachträgliche Typprüfung praktisch unmöglich ist. 

Die richtige Einstellung der Scheinwerfer 

Einen großen Einfluss habe die Scheinwerfereinstellung der Fahrzeuge. Während bei Xenon-Scheinwerfern mit ihrer großen Leuchtkraft über 2000 Lumen eine Leuchtweitenregulierung und eine Reinigungsanlage vorgeschrieben sind, gibt es diese Vorschrift bei LED-Scheinwerfern und einer Leuchtkraft von unter 2000 Lumen nicht.

«Daher bietet fast kein Hersteller noch Scheinwerferreinigungsanlagen an, automatische Leuchtweitenregulierungen sind auch bei LED oft nicht Bestandteil der Serienausstattung», sagt Burkhard Böttcher. Der ADAC setzt sich daher für eine schnelle Einführung der Assistenten ein – erst im September 2027 wird die automatische Leuchtweitenregulierung gesetzlich verpflichtend sein.

So werden Sie selbst nicht zum Blender

Autofahrer können aber jetzt schon mit ein paar Handgriffen die Blendgefahr für andere minimieren. Bei manuellen Scheinwerfern sorgt eine korrekte Einstellung für die optimale Lichtausbeute, bei modernen Xenon- und LED-Scheinwerfern hilft eine automatische Leuchtweitenregulierung.

«Verschmutzte Scheinwerfer können durch eine andere Lichtbrechung ebenfalls den Gegenverkehr blenden, daher sollten Autofahrer diese regelmäßig reinigen», sagt Barend Hauwetter. Das gelte auch für Autos mit Scheinwerferwaschanlage. Sofern keine automatische Einstellung verbaut ist, müssen Autofahrer daran denken, die Scheinwerfer beim Beladen niedriger zu stellen – und später wieder nach dem Entladen entsprechend anpassen.

Sauberkeit zahlt sich aus – und weitere Tipps

Eine saubere Frontscheibe von innen und außen sowie schlierenfrei arbeitende Wischblätter geben zuverlässig einen guten Durchblick. Schon dünne Schmutzschichten oder Schlieren wirken wie eine Streufolie und brechen das Licht so, dass es stärker blendet. Für Brillenträger gilt: Nur durch saubere Gläser sieht man klar und deutlich. Und blendärmer.

Wer merkt, dass er stark geblendet wird, sollte sofort langsamer fahren, den Abstand zum Vordermann vergrößern und sich auf mögliche unerwartete Hindernisse einstellen. Auch die Blicktechnik spielt eine wichtige Rolle. Statt direkt in eine Lichtquelle zu schauen, sollte man den Blick leicht nach rechts auf den Fahrbahnrand oder die Leitlinie richten.

Auch wenn moderne Autos häufig ein blendfreies und adaptives Fernlicht als Fernlichtassistenten anbieten, sollten Autofahrer kontrollieren, ob das System wirklich blendfrei arbeitet. Am sichersten ist dafür eine Scheinwerferkontrolle in der Kfz-Werkstatt oder bei einer Prüfstation wie Tüv, Dekra, GTÜ oder KÜS.

Besonders im nebeligen Herbst sollten Autofahrer daran denken, dass die Nebelschlussleuchte erst bei einer Sicht unter 50 Meter eingeschaltet werden darf – und dann auch nur bei Nebel.