Florian Lipowitz stand stolz vor dem Teambus und freute sich, dass seine erste Tour de France nun kräftig an Fahrt aufnimmt. Und sogar Jan Ullrich war in der Heimat «super beeindruckt» vom neuen deutschen Hoffnungsträger bei der Frankreich-Rundfahrt. 

«Ich glaube, er weiß gar nicht, wie stark er ist», sagte der einzige deutsche Tour-Champion der ARD. «Dass er so weit vorn reinfährt, hätte ich nicht gedacht. Er hat sich hinten raus richtig gesteigert», fügte Ullrich hinzu. Er traue dem 24-Jährigen «sehr viel» zu. Er glaube, dass er in den Bergen «ganz vorne» mitfahren könne. 

Lipowitz Sechster im Zeitfahren – Vingegaard mit Pleite

Lipowitz fuhr als Sechster mit einem Abstand von 58 Sekunden hinter dem Tagessieger Remco Evenepoel über die Ziellinie. Und war dabei jeweils rund 20 Sekunden schneller als sein eigener Red-Bull-Kapitän Primoz Roglic und der zweimalige Tour-Gewinner Jonas Vingegaard, der eine krachende Pleite kassierte. Im Gesamtklassement liegt Lipowitz auch nur noch eine Sekunde hinter Roglic. Bahnt sich womöglich ein Wechsel in der Teamhierarchie an? «Ich hoffe aus deutscher Sicht, dass es so ähnlich passiert wie mit Bjarne (Riis) und mir», sagte Ullrich mit Blick auf seinen Tour-Triumph 1997.

«Ich bin mehr als zufrieden. Ich bin nicht ganz so gut in die Tour gestartet. Ich habe ein bisschen an mir gezweifelt. Deshalb ist das heute ein Lichtblick für die kommenden Tage», sagte Lipowitz der ARD. Der gebürtige Schwabe kletterte in der Gesamtwertung vom 20. auf den 9. Rang. Das Resultat von Vingegaard hätte ihn «überrascht». 

Pogacar wieder in Gelb

Titelverteidiger Tadej Pogacar feierte sein wiedergewonnenes Gelbes Trikot 353 Tage nach seinem Tour-Erfolg im vergangenen Jahr in Nizza. Der dreimalige Sieger der Frankreich-Rundfahrt schlüpfte in der Normandie zum ersten Mal bei der 112. Ausgabe der Rundfahrt in das begehrte Dress. Zudem führt der Slowene auch in der Sprint- und in der Bergwertung.

«Ich bin sehr glücklich, wieder in Gelb zu sein», sagte Pogacar. Das Wichtigste seiner drei Trikots sei das Gelbe. «Aber noch wichtiger ist es, es in Paris auf der Ziellinie zu tragen», schob er hinterher. Das Abschneiden seines größten Rivalen Vingegaard habe ihn überrascht. «Ich lüge nicht, das habe ich nicht erwartet.»

Vingegaard nur noch Vierter

In der Gesamtwertung steht Pogacar nun mit 1:13 Minuten Sekunden vor dem Dänen Vingegaard, der vom zweiten auf den vierten Platz abrutschte. Doppel-Olympiasieger Evenepoel ist nach seinem deutlichen Sieg 42 Sekunden hinter Pogacar Zweiter, der Franzose Kevin Vauquelin folgt mit einem Abstand von 59 Sekunden. 

Das Zeitfahren auf der fünften Etappe rund um die nordfranzösische Stadt Caen auf flachen 33 Kilometern beendete Pogacar als Zweiter mit einem Abstand von 16 Sekunden hinter Evenepoel. Wie erwartet ließ sich der begnadete Belgier im Rennen gegen die Uhr nicht übertrumpfen. 

Schachmann über Evenepoel: Kurs «liegt ihm sehr, sehr gut»

Der slowenische Radsport-Superstar Pogacar prophezeite einen «richtigen Test» für die Favoriten. Bei der Dauphiné hatte der spätere Sieger Pogacar in der Vorbereitung auf die Tour noch deutliche Schwächen im Zeitfahren gezeigt und war 48 Sekunden nach Evenepoel und 28 nach Vingegaard über die Ziellinie gefahren. 

Evenepoel wurde den Erwartungen an ihn gerecht. Er schaute sich den Kurs genau vorher an und ging als großer Favorit in Caen an den Start. Zweimal gewann das einstige Fußball-Nachwuchstalent schon den Weltmeistertitel als bester Zeitfahrer, 2024 triumphierte er bei Olympia sowohl im Zeitfahren als auch auf der Straße. Vor allem wollte der Belgier Zeit auf die beiden enteilten Favoriten Pogacar und Vingegaard gutmachen. 

«Es ist ein Kurs, der liegt ihm sehr, sehr gut», sagte Evenepoels Teamkollege Maximilian Schachmann, der im deutschen Zeitfahr-Meistertrikot startete, aber mit den vorderen Plätzen nichts zu tun hatte.

Im Rennen um das Führungstrikot lag Evenepoel vor dem Zeitfahren 50 Sekunden hinter dem Dänen und 58 hinter Pogacar und Mathieu van der Poel. Zwar blieb der Niederländer van der Poel während der Etappe noch einmal im Führungstrikot, aber er wusste selbst, dass die Verteidigung der Gesamtführung ein schwieriges Unterfangen werden dürfte.

Spektakuläres Bergzeitfahren in zweiter Tour-Hälfte

Das zweite und letzte Zeitfahren dieser Tour wird spektakulär: Dann steht bei der 13. Etappe am 18. Juli der steile Schlussanstieg zum Flugplatz in Peyragudes an. Doch zunächst erhalten am Donnerstag Ausreißer die Chance auf einen Tagessieg auf den 201,5 Kilometern von Bayeux nach Vire in der Normandie.