Im ersten Urlaub als Papa war sein Formel-1-Dilemma für Max Verstappen ganz weit weg. «Es war gut, neue Energie zu tanken und mich zu erholen», sagte der Weltmeister. Auf Fotos zeigte er sich auf der Familien-Jacht mit Töchterchen Lily ganz privat, beim Wassersport versuchte der Niederländer möglichst abzuschalten, ehe ihn die harte sportliche Realität ausgerechnet in Zandvoort vor seinen treuesten Fans wieder einholen wird.

«Ich hoffe, dass wir näher herankommen, aber ich glaube nicht, dass es die beste Strecke für uns ist», sagte Verstappen unter dichter Wolkendecke im verregneten Fahrerlager. Auch am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) dürfte in den rauen Dünen an der Nordsee der erste Grand-Prix-Sieg seit über einem Vierteljahr unter normalen Umständen außer Reichweite sein. 

Fast schon verzweifelt versucht der WM-Dritte im schwierig zu fahrenden Red Bull den Anschluss zu den in der Gesamtwertung enteilten McLaren-Piloten zu schaffen. «Es ist mein Heimrennen. Jedes Mal, wenn ich rausfahre, gibt einem das eine Gänsehaut», sagte Verstappen vor dem Großen Preis der Niederlande: «Es ist positive Energie, nicht mehr Druck. Das versuche ich zu nutzen.»

Ein «Meer aus Orange» als Unterstützung

Zehntausende Fans werden sich bis Sonntag täglich auf den Weg in das kleine Zandvoort machen und die Tribünen in Orange tauchen. «Das ist hier immer fantastisch. Es ist so ein kleines Land – und es sind so viele Fans», sagte Verstappen. Seit Jahren begleiten ihn die reisefreudigen Anhänger um die ganze Welt, doch in Zandvoort ist die Atmosphäre unweit von Amsterdam noch mal besonderer: «Es ist ein unglaubliches Gefühl, an einem Meer aus Orange vorbeizufahren, und ich freue mich darauf.»

Dass er von 2021 bis 2023 dreimal nacheinander von der Pole Position auf dem Kurs mit der markanten Steilkurve gewann, wird ihm aber nichts nutzen. Immerhin könnte helfen, dass nasse Bedingungen als durchaus wahrscheinlich gelten und Regen vielleicht für einen chaotischen Rennverlauf sorgt. Von der einstigen Red-Bull-Dominanz ist aber nicht viel übrig, demonstrativ schrieb Verstappen seinen fünften WM-Titel nacheinander schon ab. «Wir kämpfen sowieso nicht um die Weltmeisterschaft», hatte er zuletzt in Budapest gesagt.

Ob das für Frust sorgt? «Wenn man schon viel gewonnen hat, weiß man, dass eine Zeit kommt, in der das nicht mehr so sein wird», sagte Verstappen. Sein Ansatz ist deswegen klar: «Es macht keinen Sinn für mich, frustriert zu sein. Da verschwendet man nur seine Energie. Es geht jetzt darum, einen Weg zu finden, wie man wieder besser wird.» Ziel müsse es sein, auch mit Blick auf 2026 ein leistungsfähigeres Auto zu haben: «Ich will mehr über das Auto lernen.»

Der Rückstand auf Piastri ist riesig

Die Konkurrenz schreibt den Ausnahmefahrer trotz des schwächeren Autos zwar nicht ab. Bei noch zehn ausstehenden WM-Läufen sieht es aber sehr danach aus, als wäre Platz drei in dieser Saison das Maximum für Verstappen. 97 Punkte liegt er hinter Spitzenreiter Oscar Piastri, auch Lando Norris im zweiten McLaren hat als Zweiter noch komfortable 88 Punkte Vorsprung. «Es ist noch viel zu früh, an den WM-Stand zu denken», sagte Piastri zwar. Aber selbst wenn er und Norris viermal ausscheiden sollten, müsste Verstappen auch alle diese Rennen gewinnen, um überhaupt sicher vorbeizuziehen.

Sicher ist jedenfalls, dass Verstappen trotz der enttäuschend verlaufenden Saison auch im kommenden Jahr im Red Bull sitzen wird. «Für mich war immer klar, dass ich sowieso bleibe», sagte Verstappen vor der dreiwöchigen Sommerpause in Ungarn. Trotzdem gab es monatelang Spekulationen über ein Engagement bei Mercedes.

Denn klar ist: Er will im besten Auto sitzen. Klappt es mit Red Bull auch unter einem stark veränderten Reglement 2026 nicht, wieder nach vorn zu kommen, wird es neue Gerüchte geben, ob Verstappen vorzeitig aus seinem eigentlich noch bis 2028 laufenden Vertrag aussteigt. Es soll leistungsbezogene Klauseln geben, die ihm das ermöglichen könnten. Verstappen denkt daran aber nicht und hat für den Rest des Jahres ein klares Ziel: «Ich will die Chancen nutzen, die sich mir noch bieten.» Vielleicht sogar schon im Regen von Zandvoort.