Ob Arbeitsweg, Urlaubs- oder Alltagsfahrt: Wer viel Zeit im Auto verbringt, weiß, wie wichtig Konzentration am Steuer ist – und wie schnell sie nachlassen kann. Was viele nicht wissen: Auch unser Ess- und Trinkverhalten hat darauf einen Einfluss. Der Physiologe Ralf Brandes erklärt im Interview, was die Konzentration schmälert – und was sie hochhält.

Herr Brandes, kann es das Unfallrisiko am Steuer erhöhen, wenn Autofahrer zu wenig trinken?

Ralf Brandes: In der Regel trinken wir, bevor wir echten Durst bekommen. Das ist angelernt. Die meisten von uns kennen nicht das Gefühl: «Oh, wenn ich jetzt nicht gleich was trinke, dann geht es mir total schlecht.»

Wenn ich wirklich so durstig bin, dass ich an nichts anderes denken kann als das Trinken, ist das wie jede andere Form der Ablenkung – darunter leidet die Konzentration dann tatsächlich. Aber unter den vielen Gründen, warum der Fokus im Auto sinkt, ist Durst einer der absolut nachrangigen.

In der Praxis ist die Ablenkung durchs Handy ein viel größeres Problem. Aber auch Müdigkeit ist schlimmer als ein Durstgefühl. Denn dagegen können sie nichts machen. Sie versuchen, sich zu konzentrieren, aber sie schweifen trotzdem ab. In dem Kontext spielt die Nahrungsaufnahme eine wichtige Rolle.

Inwiefern spielt das Essen dabei eine Rolle?

Brandes: Satt zu sein ist einer der Hauptgründe für Müdigkeit. Wenn sie sich an der Raststätte eine umfangreiche Mahlzeit gönnen, könnten sie hinterher in ein Nudelkoma fallen.

Frieren, Hunger, Durst sind alles Dinge, die meinen Körper in Alarmbereitschaft versetzen. Das heißt, da halte ich die Konzentration aufrecht. Andersherum: Wenn es warm ist im Auto und wenn ich sehr viel gegessen habe und der Blutzucker hochgeht, dann werde ich halt müde.

Also ist es auch gut, wenn die Klimaanlage die Luft im Auto abkühlt? Ich habe gelesen, dass die Klimaanlage eher schlecht ist, weil sie uns austrocknet – womit wir wieder beim Durst wären.

Brandes: Ich sagte ja: Wer friert, bleibt wach. Zur vermeintlichen Austrocknung: Der Hauptgrund, warum man große Mengen an Flüssigkeit verliert, ist das Schwitzen. Und das tue ich immer dann, wenn es zu warm ist. Liegt die Umgebungstemperatur unter 23 Grad und ich habe nicht gerade einen Skianzug an, dann schwitze ich eigentlich nicht. Was wir durch das Ausatmen und über die Schleimhäute an Flüssigkeit im Tagesverlauf verlieren, ist im Vergleich zum Schwitzen zu vernachlässigen. Und nicht einmal darauf haben Klimaanlagen wirklich Einfluss.

Ein Problem birgt eine Klimaanlage nur dann, wenn ihr Luftzug direkt auf die Augen trifft – denn die Tränenflüssigkeit hat eine wichtige Abwehrfunktion. Wird die Augenoberfläche durch den Luftzug zu trocken, kann sie das anfällig für Entzündungen und Infektionen machen.

ZUR PERSON: Prof. Ralf Brandes ist Generalsekretär der Deutschen Physiologischen Gesellschaft. Er lehrt und forscht am Institut für Kardiovaskuläre Physiologie der Goethe-Universität in Frankfurt.