Die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromsteuer nicht auch für alle Bürger und für alle Betriebe zu senken, sorgt bei führenden CDU-Politikern für erheblichen Unmut. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte der «Bild», eine niedrigere Stromsteuer für alle sei «ein zentrales Entlastungsversprechen der Bundesregierung» gewesen. «Die finanzielle Situation des Bundes war allen Parteien bekannt, als dieses Versprechen auch im Koalitionsvertrag verankert wurde.»
Haseloff: Wirtschaft ist mehr als Industrie
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff forderte, die Entscheidung zu korrigieren. «Ich plädiere weiter nachdrücklich dafür, bei den im Koalitionsvertrag gemachten Zusagen zu bleiben, die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken. Dazu gehören auch private Haushalte wie Handwerk und kleinere Unternehmen», sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Deutschland brauche Wachstum und Vertrauen in die politischen Zusagen. «Die Wirtschaft muss entlastet werden. Und Wirtschaft ist mehr als Industrie.»
Private Haushalte und viele Firmen zahlen weiter hohe Stromsteuer
Die Spitzen von Union und SPD hatten am Mittwoch entschieden, dass es vorerst keine Senkung der Stromsteuer für alle Firmen sowie für private Haushalte geben soll. Das hatten CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag jedoch angekündigt – allerdings unter Finanzierungsvorbehalt.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verteidigten den Kurs und verwiesen auf Haushaltszwänge. Eine Senkung der Stromsteuer für alle würde nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten.
Wüst: Projekt nicht auf die lange Bank schieben
Wüst sagte der «Bild», er setze auf eine «klare Nachsteuerung im anstehenden parlamentarischen Verfahren». «Es sollten noch einmal alle Möglichkeiten geprüft werden, wie eine Stromsteuersenkung für alle zeitnah kommen kann. Dieses Projekt darf nicht einfach auf die lange Bank geschoben werden.»
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther zeigte im «Berlin Playbook Podcast» von «Politico» wenig Verständnis für den Beschluss des Koalitionsausschusses, die Stromsteuer zunächst nur begrenzt zu senken und zugleich die Mütterrente möglichst früher auszuweiten. «Das ist zumindest eine eigenartige Prioritätensetzung», sagte der CDU-Politiker. «Das gibt Abzüge in der B-Note, dass es bei der Frage nicht gelungen ist, sich zu verständigen.» Zu den Auswirkungen auf das Regierungsbündnis von Union und SPD sagte er: «Das ist schade, weil es den Anfangsschwung ein bisschen schmälert.»
Hoffnung auf die Beratungen im Bundestag
Der SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff sieht das letzte Wort noch nicht gesprochen. «Ich bin mir sicher, dass die Diskussion über die Steuersenkung auch im Haushaltsausschuss geführt werden wird», sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dem Portal «The Pioneer». «Ich halte eine Reduzierung, auch für Verbraucher, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, weiterhin für richtig.»
Handelsverbände sprechen von Wortbruch
Der Handelsverband Deutschland sowie der Groß- und Außenhandelsverband BGA fordern Bundeskanzler Merz in einem gemeinsamen Schreiben dazu auf, die Versprechen der Koalition einzuhalten und die Stromsteuer für alle Firmen zu senken. Die neue Bundesregierung sei mit einem klaren Profil angetreten und habe sich die Entlastung der Wirtschaft zur Aufgabe gemacht. «Geliefert wurde jetzt ein Wortbruch», heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Dass die neue Bundesregierung – wieder einmal – nur die Industrie entlaste, sei enttäuschend und unverständlich. Das Schreiben ging gleichlautend auch an Klingbeil, Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sowie die Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD).