Kevin Krawietz (r) und Tim Pütz feiern einen Punktgewinn gegen das britische Doppel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Barbara Gindl/APA/dpa)

Die gesamte deutsche Tennis-Mannschaft hüpfte gemeinsam im Kreis über den Platz. Erstmals seit 2007 und erst zum zweiten Mal nach den glänzenden Zeiten mit Boris Becker spielen die deutschen Tennis-Herren um den Einzug ins Endspiel des Davis Cups.

Mit einem 7:6 (12:10), 7:6 (7:5) machte das deutsche Doppel Kevin Krawietz und Tim Pütz in Innsbruck gegen Joe Salisbury und Neal Skupski das 2:1 gegen das favorisierte Großbritannien und den Halbfinaleinzug perfekt. «Nach dem Matchball ist viel Druck abgefallen. Ich bin superglücklich und sehr stolz», sagte Teamchef Michael Kohlmann.

«Nun ist es Zeit, neue Ziele zu setzen»

Als das Siegerduo im entscheidenden Tiebreak sogar einen 0:5-Rückstand noch aufgeholt hatte (Krawietz: «verrückt manchmal»), sprang Jan-Lennard Struff ihnen sofort jubelnd entgegen. Der Sauerländer hatte zuvor mit einer starken Leistung und einem 7:6 (8:6), 3:6, 6:2 gegen den Weltranglisten-Zwölften Cameron Norrie das vorzeitige Viertelfinal-Aus verhindert, nachdem Peter Gojowzyk chancenlos war.

«Wir haben alle gesagt, wir wollen nach Madrid. Wir haben das Ziel errreicht, nun ist es Zeit, neue Ziele zu setzen. Wir wollen das Halbfinale gewinnen», sagte Struff selbstbewusst. «Es ist umso schöner für uns, dass wir immer den entscheidenden Punkt einfahren können», sagte Mit-Matchwinner Pütz.

Die Deutschen reisen jetzt nach Madrid und treffen am Samstag auf die starken Russen oder Außenseiter Schweden. Der Gegner wird am Donnerstag ermittelt.

Krawietz und Pütz im Davis Cup unbesiegt

Nachdem die Jahre mit Becker und Stich zu Ende gegangen waren, stand eine deutsche Auswahl nur vor 14 Jahren im Halbfinale des prestigeträchtigen Länder-Wettkampfs. Der Sprung unter die Top Vier im veränderten Modus ist jetzt auch hoch anzurechnen, weil Weltklasse-Spieler Alexander Zverev fehlt. Der 24-Jährige hat keine Lust aufs neue Format und entschied sich gegen die Teilnahme.

In der coronabedingt weitestgehend leeren Olympiahalle von Innsbruck sprangen der deutsche ebenso wie der britische Tross immer wieder auf, als das Doppel die Entscheidung bringen musste. Das Match war an Spannung kaum zu überbieten. 2019 waren die Deutschen – in anderer Formation – im Viertelfinale gegen die Briten ausgeschieden. Diesmal waren sie nach den beiden 2:1-Siegen in der Vorrunde gegen Serbien und Österreich optimistisch. Gerade auch wegen Krawietz und Pütz, die im Davis Cup unbesiegt sind.

Das Selbstbewusstsein half gegen Salisbury und Skupski, die angesichts von vier Satzbällen den ersten Durchgang ebenfalls gewinnen konnten. Stattdessen nutzte das deutsche Olympia-Doppel seinerseits den vierten Satzball. Auch im zweiten Durchgang hätte die hochklassige und emotionale Partie in beide Richtungen gehen. Ständig liefen Pütz und Krawietz dem Rückstand hinterher. Als es im Tiebreak nach dem Ausgleich aussah, triumphierten die Deutschen doch noch.

Struff: «Das bedeutet mir extrem viel»

Dabei war es mit dem 2:6, 1:6 von Gojowczyk gegen Daniel Evans nicht gut losgegangen. Anders als Gojowczyk, den der Druck für Deutschland zu spielen, offenbar lähmte, schien dann die Situation Struff eher zu beflügeln. «Das ist auf jeden Fall einer der wichtigsten Siege, die ich errungen habe. Das bedeutet mir extrem viel», erklärte Struff.

Mutig zu spielen, die taktischen Tipps und der Zuspruch von Teamchef Kohlmann und die Anfeuerung aus der Box seien die Schlüssel gewesen. Der Sauerländer agierte nervenstark und begann furios. Als sein 4:1-Vorsprung weg war, ging er wieder häufiger ins Risiko. Im Tiebreak wehrte Struff zwei Satzbälle der Nummer 12 der Welt ab.

Der Brite hatte im Oktober mit dem Titel in Indian Wells überrascht und bewies seine starke Form. Am Ende habe er es geschafft, mit viel «Energie» aktiv zu sein, so Struff: «Es macht so viel Spaß, im Team zu spielen.» Ganz anders erging es Gojowczyk.

Erstmals bei dieser Endrunde hatte der Münchner anstelle von Dominik Koepfer das Vertrauen erhalten, nachdem er zuvor sieben Jahre lang nicht zum Einsatz gekommen war. Kohlmanns Umstellung ging schief. Der Weltranglisten-86. wirkte nervös und fand keinen Rhythmus.

Sinnbildlich war der Doppelfehler beim Matchball des Weltranglisten-25. Evans. «Du fühlst dich nicht wohl in der Haut», sagte Gojowczyk. Weil er so nervös gewesen war, habe er in der Nacht zuvor schlecht geschlafen. «Vielleicht habe ich mir zu viele Gedanken gemacht. Du willst es unglaublich gut machen, du willst den Punkt für Deutschland machen», erklärte der 32-Jährige.

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