Auf weiter Flur - grasende Kühe im Schwarzwald. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Silas Stein/dpa)

Bezahlbare Preise im Supermarkt, mehr Artenvielfalt und Tierwohl in der Landwirtschaft: Wie sich beides unter einen Hut bringen lässt, steht zur Diskussion.

Agrar-Organisationen wandten sich dagegen, Bedürfnisse einkommensschwacher Haushalte gegen die der Landwirte auszuspielen. Die Ernährungsindustrie warnte, es dürfe nicht «Sozial-Veganer» geben – Menschen, für die tierische Produkte zu teuer sind. Und der Bauernverband schilderte die angespannte wirtschaftliche Lage vieler Betriebe.

Forderungen an die Bundesregierung

Mit der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin fällt der traditionelle Jahresauftakt der Branche wegen der Corona-Krise in diesem Januar zwar aus. Ihre Vertreter nutzen den Termin dennoch, um die Lage zu beschreiben und Forderungen an die neue Bundesregierung zu stellen.

Agrarminister Cem Özdemir machte klar, dass er beim Umbau hin zu mehr Umwelt- und Tierschutz an den Konsens anknüpfen will, den noch eine Expertenkommission der alten Regierung zustande gebracht hatte. «Die Leute wollen gesunde bezahlbare Lebensmittel, die Produzenten wollen ein vernünftiges Einkommen, und wir müssen das Klima schützen.» Das gelte es zusammenzubringen, betonte er in einer Diskussionsrunde.

Der Grünen-Politiker hob die geplante Ausweitung des Ökolandbaus hervor, der auf einen größeren Markt angewiesen sei. Bio-Produkte und regionale Produkte sollten in Fußballstadien, Kantinen und Mensen breiter angeboten werden. Es sollte auch in Schulen gekocht werden, damit Kinder die Kulturtechnik mitbekämen und traditionelle Gerichte nicht verloren gingen. Gut sei, dass auch Zugewanderte als Teil der Integration wüssten, «was sind Kässpätzle, was sind Schupfnudle».

Özdemir bekräftigte, dass eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung in diesem Jahr an den Start kommen soll. Dieser Druck sorge auch dafür, das dies nicht weiter verschoben werde. «Das hatten wir jetzt 16 Jahre, jetzt muss gehandelt werden.» Der Minister machte deutlich, dass er für Neuregelungen auch zur Finanzierung von Mehrkosten für die Bauern breit getragene Lösungen anstrebt. «Sie brauchen Planungs- und Investitionssicherheit, die gibt es mit mir.»

Die Transformation der Branche müsse zu bezahlbaren Preisen für Supermarktkunden geschehen, forderte Christoph Minhoff, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.

Stimmung bei Bauern gedrückt

Die Landwirte in Deutschland seien sehr verunsichert und relativ pessimistisch, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Künftige Anforderungen an Viehhaltung und Ackerbau seien nicht klar. «Wir brauchen ein klares Signal, wohin die Reise geht.» Allein der Umbau der Tierhaltung koste mehrere Milliarden Euro im Jahr. Jetzt müsse der Finanztopf dafür gebildet werden, forderte Rukwied.

Denn den klimagerechten Umbau der Landwirtschaft werden vor allem kleinere Bauernhöfe nicht schultern können, wie erst die Beratungsfirma EY und die Universität Göttingen mit einer Studie erläutert haben. Viele könnten und wollten die Investitionen nicht mehr aufbringen.

Die wirtschaftliche Lage der Betriebe sei angespannt, bei den Schweinehaltern desaströs, sagte Rukwied. Die Bauern seien zu mehr Tierwohl in den Ställen und mehr Artenvielfalt auf den Äckern bereit. Das müsse sich für die Betriebe aber auch rechnen.

«Landwirte sind Unternehmer, die unsere Ernährung sichern und maßgeblich zur Erreichung der Klimaziele beitragen können», sagte FDP-Fraktionsvizechefin Carina Konrad der Deutschen Presse-Agentur. «Dazu brauchen sie wirtschaftliche Stabilität und Unabhängigkeit bei betrieblichen Entscheidungen.» Ermöglicht werden müsse der Einsatz neuer Technologien und moderner Pflanzenschutzmittel. Nötig seien auch Planungssicherheit und Erleichterungen beim Stallumbau und der Genehmigung neuer «Tierwohlställe».

«Die soziale Frage kann nicht allein durch den Markt und auch nicht an der Kasse gelöst werden», sagte Tina Andres, Vorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft, bei der Vorlage des «Kritischen Agrarberichts» des Agrarbündnisses. «Die in der landwirtschaftlichen Produktion entstehenden Schäden an Mensch und Natur sind aktuell nicht im Lebensmittelpreis enthalten», heißt es darin.

«Wenn wir Preise erhöhen müssen, dann muss die Sozialpolitik auch entsprechend reagieren, was die Hilfssätze betrifft für bedürftige Personen», betonte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

Gesunkener Umsatz

Trotz gestiegener Nahrungsmittelpreise sank im vergangenen Jahr wohl der Umsatz der Ernährungsindustrie. Die Bundesvereinigung schätzt, dass er sich auf 182,4 Milliarden Euro belief, was einem Minus von 1,6 Prozent entspräche. «Natürlich hat es Folgen, wenn Restaurants und Kantinen geschlossen sind», sagte Minhoff. Zudem ließen sich gestiegene Produktionskosten nur schwer mit höheren Preisen beim Kunden durchsetzen.

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