Deutschlands zweitgrößter Stahlhersteller Salzgitter hat sich neue Zwischenziele bei CO2-Senkung, Recycling und Ökostrom gesetzt.
So will der Konzern bis 2030 den Ausstoß von Kohlendioxid unter die Hälfte des Niveaus aus dem Jahr 2018 drücken, wenn alle von ihm selbst sowie von seinen Energiezulieferern freigesetzten Mengen des Treibhausgases betrachtet werden.
Vorstandschef Gunnar Groebler legte am Mittwoch Eckpunkte dieser Strategie vor. Sie umfasst auch den Übergang zu künftig möglichst geschlossenen Wertstoffkreisläufen, damit weniger zusätzliche Ressourcen nötig sind. Die Wiederverwertung von Stahlschrott lässt sich demnach um über 50 Prozent steigern. Außerdem soll bis zum Ende des Jahrzehnts nur Strom erneuerbarer Energieträger genutzt werden.
Wechsel der Produktionstechnik
Die Stahlindustrie gehört bislang noch zu den größten CO2-Emittenten. In den kommenden Jahren soll die Produktionstechnik schrittweise auf Wasserstoff wechseln. Mit diesem kann das Roheisen aus dem Eisenerz gewonnen werden, ohne dass dabei – wie mit Kokskohle – große Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxids anfallen. Neben elementarem Eisen für die Stahllegierungen bleibt dann hauptsächlich Wasserdampf übrig.
Ein Pilotsystem bei Salzgitter ist angeschoben. 2025 soll der erste klassische Hochofen ersetzt und ein Wasserstoff-Verfahrensanteil von zunächst 30 Prozent angepeilt werden, ein Jahr darauf will man mindestens die erste Million Tonnen «grünen» Stahls fertig haben.
«2033 und damit zwölf Jahre früher als ursprünglich avisiert soll das integrierte Hüttenwerk vollständig auf die neue Welt ausgerichtet sein», kündigte das Unternehmen weiter an. Aus der Leitung des Wasserstoffprojekts hieß es: «Das wird bald der Kern unseres Geschäftsmodells am Standort Salzgitter sein.»
Umrüstung für mehr Nachhaltigkeit
Eine wirklich nachhaltig schonende CO2-Bilanz ist allerdings nur zu erreichen, wenn die vorgelagerte Wasserstofferzeugung ebenso mit Elektrizität aus regenerativen Quellen wie der Wind- oder Solarkraft geschieht. Deshalb ist bis 2030 reiner Ökostrombezug geplant – teils auch aus Eigenproduktion. Im vergangenen Frühjahr hatte Salzgitter am Hauptsitz sieben Windräder sowie zwei Elektrolyse-Einheiten für die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff eingeweiht.
«Schon in diesem Jahr sollen Aufträge für Großanlagen vergeben werden», sagte Groebler zur weiteren Umrüstung. Ein Beschluss des Aufsichtsrats zum Start der wasserstoffbasierten Stahlerzeugung wurde letzten Angaben zufolge für den Sommer erwartet. Langfristig kann Salzgitter nach Einschätzung des Vorstandschefs mit dem Verfahren gut ein Prozent der jährlichen deutschen CO2-Emissionen vermeiden.
Zukunftsfähigkeit sichern
Bei der Lieferung des nötigen Ökostroms schloss Salzgitter gerade eine Partnerschaft mit dem dänischen Energiekonzern Ørsted, im Gegenzug bekommt der Versorger von den Niedersachsen Stahlteile für Offshore-Windanlagen. Der Autobauer BMW soll ab 2026 CO2-reduzierten Stahl für seine europäischen Fabriken erhalten, umgekehrt fließt mehr unverbrauchter Stahl aus dessen Presswerken zurück zu Salzgitter.
Groebler sagte, es gehe insgesamt darum, «die Zukunftsfähigkeit des Konzerns und seiner Arbeitsplätze» abzusichern. Laut Personalvorstand Michael Kieckbusch wirbt Salzgitter dabei auch um neue Beschäftigte: «Der Wissenstransfer wird entscheidend.» In den nächsten Jahren dürften aufgrund der Altersentwicklung mehr als ein Viertel der inländischen Belegschaft aus dem Unternehmen ausscheiden. «Der Fachkräftemangel wird uns weiter beschäftigen», meinte der Manager. «Und die hohe Zahl der Renteneintritte werden wir auch nutzen, um den Anteil weiblicher Führungskräfte im Konzern zu steigern.»
Finanzchef Burkhard Becker hält im Rahmen der neuen Strategie bis 2025 einen Jahresumsatz von über 11 Milliarden Euro für möglich. 2020 waren die Erlöse von mehr als 8,5 Milliarden Euro vor der Coronakrise auf gut 7,1 Milliarden Euro abgerutscht – zuletzt lief das weltweite Stahlgeschäft wieder deutlich besser. Bei allen nötigen Investitionen gehe es jedoch ebenso um «neue Maßstäbe in Bezug auf Profitabilität und Stabilität», erklärte Becker. «Dafür wollen wir auch unsere Effizienzprogramme fortsetzen und planen, ab 2026 über 150 Millionen Euro pro Jahr zusätzliches Ergebnisverbesserungspotenzial zu heben.»