Die Anlage des Erdgasspeichers (Astora GmbH) in Rehden, der größte Speicher in Westeuropa. Die Astora GmbH ist eine Tochtergesellschaft des russischen Energiekonzerns Gazprom. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)

Als Reaktion auf Probleme im Winter und den Ukraine-Krieg plant Wirtschaftsminister Robert Habeck den Aufbau einer nationalen Gasreserve – und will sich gegen steigende Energiepreise stemmen.

In der deutschen Wirtschaft wachsen wegen der Abhängigkeit von russischen Rohstoffimporten die Sorgen. Der Ukraine-Krieg könnte den konjunkturellen Aufholprozess nach Einbrüchen in der Corona-Pandemie verzögern. Steigende Preise für Rohstoffe wie Öl könnten die Inflation weiter anheizen und auch Unternehmen belasten.

Vor seinem Abflug in die USA sagte Habeck am Montagabend in Berlin nach Beratungen der EU-Energieminister: «Wir überlegen, die nationalen Ölreserven in einer konzertierten Aktion zusammen mit den Amerikanern so einzusetzen, dass die Preise gedämpft werden, wenn sie weiter hoch gehen.» Am Dienstag tage die Internationale Energieagentur, dort werde weiter verhandelt.

Die Ölpreise sind infolge des Ukraine-Kriegs gestiegen. Die Spritpreise in Deutschland sind auf Rekordhöhen. Die nationale Ölreserve sichert 90 Tage lang die Unabhängigkeit von Importen.

Schon jetzt Auswirkungen spürbar

Deutschland ist auch bei Gas und Kohle von russischen Importen abhängig. Der russische Überfall habe schon jetzt Auswirkungen auf die deutsche Energieversorgung, die weiter zunehmen könnten, heißt es in einem am Montag vorgelegten Papier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Energiewirtschaft gehe davon aus, dass sie in diesem Winter ihre Gaslieferverpflichtungen unabhängig von Lieferungen aus Russland erfüllen könne. Die Kohlekraftwerke produzierten plan- und bedarfsgerecht. Engpässe in der deutschen Stromerzeugung gebe es momentan nicht.

Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte dem «Handelsblatt» auf die Frage, ob er damit rechne, dass Russlands Präsident Wladimir Putin von sich aus ein Lieferembargo verhänge: «Ich schließe nichts mehr aus.»

Im Gegensatz zu einer nationalen Ölreserve gibt es derzeit in Deutschland keine Gas- und Kohlereserve. Das soll sich nun ändern, wie Habeck (Grüne) bereits angekündigt hatte. Das Wirtschaftsministerium legte konkrete Pläne für den Aufbau einer Gasreserve vor. Damit soll sichergestellt sein, dass die Gasspeicher immer ausreichend befüllt sind, wie aus Eckpunkten für ein Gesetz hervorgeht. Darin heißt es, die Gasspeicher in Deutschland seien für eine Versorgung mit Gas in den Wintermonaten essenziell. Sie könnten in Kälteperioden Nachfragespitzen ausgleichen und so eine gleichmäßige Gasversorgung sicherstellen.

Hohes Speichervolumen

Deutschland verfüge über ein Speichervolumen von rund 24 Milliarden Kubikmeter. Das entspreche ungefähr der Hälfte des Gases, das pro Jahr durch die Gasleitung Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland transportiert werden könne. Dieses Speichervolumen alleine könne Deutschland 2 bis 3 durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen.

Vorgaben zu den Füllständen der Speicher gibt es bisher aber nicht. In diesem Winter seien diese historisch niedrig gewesen. Dies gilt insbesondere für die Speicher des russischen Staatskonzerns Gazprom, wie es heißt. Auch deswegen seien die Preise an den kurzfristigen Handelsplätzen stark gestiegen. Bei Nachfragespitzen sei kaum zusätzliches Gas aus den Speichern angeboten worden: «Eine solche Situation bei den Speichern darf sich im nächsten Winter nicht wiederholen.»

Die deutschen Gasspeicher sollten deswegen «unabhängig von den Betreiberinteressen» zu Beginn des Winters gefüllt sein. Das Gas solle bei Kälteperioden oder geringen Gasimporten zur Verfügung stehen. Die Betreiber sollen verpflichtet werden, dass die Speicher zum 1. August eines Jahres mit 65 Prozent befüllt sind, zum 1. Oktober zu 80 Prozent, zum 1. Dezember mit 90 Prozent und zum 1. Februar – also zum Ende des Winters und der Heizperiode hin – zu 40 Prozent.

Füllstand bei knapp 30 Prozent

Der aktuelle Füllstand der Gasspeicher in Deutschland beträgt nach Angaben des Gasspeicherverbands INES knapp 30 Prozent. Die Bundesregierung hatte auf niedrige Stände im Winter bereits mit Maßnahmen reagiert. Das geplante Gesetz zur Gasreserve soll laut Papier spätestens im April vom Bundestag beschlossen werden, damit es zum 1. Mai in Kraft treten kann. Dies sei nötig, damit das komplette Sommerhalbjahr zur Befüllung der Speicher zur Verfügung stehe.

Bei den Maßnahmen geht es vor allem darum, sich besser auf den kommenden Winter vorzubereiten. In der deutschen Wirtschaft wachsen aber aktuell mit Blick auf die kommenden Wochen und Monate die Sorgen vor den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Bereits vor dem Krieg hatten hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferengpässe den Aufholprozess der Wirtschaft gebremst.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Peter Adrian, warnte vor Lieferverzögerungen bei Autos. Er sagte der Funke Mediengruppe: «Beim Palladium ist Russland hinter Südafrika die Nr. 2 auf dem Weltmarkt. Wenn das nicht mehr aus Russland geliefert werden kann, drohen in einzelnen Wirtschaftssektoren massive Störungen.» Palladium wird in der Automobilindustrie für den Bau von Katalysatoren benötigt.

Bei Palladium habe Russland einen Weltmarktanteil von 40 Prozent, sagte Prof. Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. «Hier drohen weitere Störungen der Lieferkette für die Automobilindustrie.» Drei Viertel der deutschen Importe aus Russland entfielen auf Gas, Öl und Kohle. Ein weiteres Achtel seien Eisen und Stahl, Kupfer und Kupferprodukte sowie Edelmetalle.

Von Andreas Hoenig, dpa

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