Mit gesenktem Kopf schritt Rainer Koch am Podium des DFB-Präsidiums vorbei, auf dem sich der neue Verbandschef Bernd Neuendorf schon eingerichtet hatte.
Mit der überraschenden Abwahl des umstrittenen Dauerfunktionärs aus dem innersten Entscheiderkreis endeten die Wahlen des Deutschen Fußball-Bundes in Bonn. Koch gratulierte seiner Herausforderin Silke Sinning äußert knapp – beim so ersehnten Neuanfang des krisenerfahrenen Verbands mit Neuendorf an der Spitze spielt Koch keine Rolle mehr.
Votum gegen Gerhard Schröder
Der neue DFB-Chef hatte knapp eine Stunde zuvor lächelnd die ersten Glückwünsche angenommen. «Das überwältigt mich schon», sagte Neuendorf nach seinem deutlichen Wahlsieg gegen Peter Peters. «Jetzt müssen wir den Blick nach vorne richten, ich werde diese Aufgabe mit großer Lust angehen.» Der 60-Jährige gewann mit 193:50 Stimmen. Eindeutig war auch das Votum des Bundestags im World Conference Center gegen Altkanzler Gerhard Schröder, dem wegen dessen Einstellung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Ehrenmitgliedschaft entzogen wurde.
Neuendorf hatte seine Kernbotschaft bereits während seiner Bewerbungsrede deutlich gemacht. «Der Fußball muss wieder im Mittelpunkt stehen, nicht die Querelen an der Spitze des Verbandes.» An diesen hatte Koch, der vor dem Wahlgang eine bemerkenswert egozentrische Rede hielt, in der Vergangenheit oft bedeutenden Anteil. Bis Freitag war er Interimspräsident. Ein neuer DFB-Chef musste gewählt werden, weil Fritz Keller vor zehn Monaten zurückgetreten war. Der ebenfalls als Erneuerer angetretene 64-Jährige hatte Koch während einer Sitzung mit dem Namen eines Nazi-Richters bezeichnet.
«Ich möchte alles dafür tun, dass dieser Verband wieder zur Ruhe kommt», sagte nun Neuendorf. «Dass wir in ein paar Jahren sagen können, die Arbeit hat sich gelohnt». Die Menschen seien es «einfach leid», immer wieder von Skandalen und Hausdurchsuchungen zu lesen. «Sie wenden sich ab, sie sind genervt, sie fühlen sich nicht mehr vertreten», sagte Neuendorf. «Wir brauchen eine neue Kultur des Miteinanders. Und ich bin optimistisch, dass uns das gelingen kann.»
Koch wehrt sich
Neuer Schatzmeister ist Stephan Grunwald. Die frühere Nationalspielerin Célia Šašić ist neue Vizepräsidentin für Diversität und Vielfalt.
Was auf ihn in den kommenden Monaten zukommt, bekam der einstige NRW-Staatssekretär in der ersten Reihe des Konferenzsaals schon vor seiner Wahl gespiegelt. Während ihrer Reden zu Beginn des Bundestags wiesen Koch und der bis Freitag als Schatzmeister tätige Stephan Osnabrügge verschiedenste Vorwürfe vehement zurück. «Ich bin es unendlich leid, kriminalisiert zu werden», sagte Osnabrügge, der wie Koch insbesondere auch gegen angebliche Medienkampagnen wetterte.
Wahr sei keiner der in den vergangenen Wochen publizierten Vorwürfe, sagte Osnabrügge. Zuletzt ging es um einen dubios anmutenden Vertrag mit einem Medienberater, auch der weiter nicht aufgeklärte Sommermärchen-Skandal spielt immer wieder eine Rolle.
Neuendorf muss Ungleichgewicht moderieren
«Medial», sagte Koch, sei «von Tag zu Tag mehr ein Bild gezeichnet worden ist, wonach der DFB an seiner Spitze im Dauer-Chaos versinke». Zwischendurch war während der Reden immer mal wieder kurzer Applaus aus den Reihen der Delegierten zu hören, euphorisch wirkte dieser nicht. Die Abstrafung für das Wirken Kochs durch die Delegierten erfolgte um 15.30 Uhr mit dem deutlichen Votum für Sinning.
Intern wird zu Neuendorfs größeren Aufgaben gehören, das Ungleichgewicht zwischen Amateur- und Profifußball zu moderieren. 2023 soll ein neuer Grundlagenvertrag greifen, der auch das finanzielle Auskommen regelt. «Wenn wir weiter, DFB und DFL, zwei Züge aufeinander zurasen lassen, dann wird der deutsche Fußball dadurch dramatisch verlieren», sagte Hans-Joachim Watzke, der als neuer Aufsichtsratchef der Deutschen Fußball Liga von Amts wegen in den Vorwochen wie Koch als DFB-Interimspräsident agiert hatte.
Watzke will «Kräfte bündeln»
Der 62 Jahre alte Geschäftsführer von Borussia Dortmund wirkte launiger als die weiteren Funktionäre, die das DFB-Podium kennen. «Es ist irgendwie so wie mit Corona – irgendwann erwischt es einen», sagte Watzke über seine erste Rede bei einer DFB-Vollversammlung. Der BVB-Chef machte dennoch deutlich: «Wir müssen die Kräfte bündeln und sie nicht gegenseitig zerstören.» Vom Bundestag müsse das Signal ausgehen, «dass wir es anpacken».
Das Signal in Richtung von Schröder wegen dessen Position im Ukraine-Krieg war eindeutig. «Wer sich aus Rücksicht auf persönliche Interessen nicht klar vom Krieg und seinem Aggressor distanziert und darüber hinaus auch nicht die gebotenen geschäftlichen Konsequenzen zieht, teilt nicht die Werte des Fußballs und des Deutschen Fußball-Bundes», erklärten Koch und Watzke gemeinsam. Die Entscheidung zum Entzug der Ehrenmitgliedschaft erfolgte ohne Gegenstimme.
Schröder ist seit langem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet. Der Altkanzler ist für die Erdgas-Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2 als Lobbyist tätig sowie Aufsichtsratschef beim russischen Ölkonzern Rosneft. Distanziert hat sich der 77-Jährige bislang nicht. «Wir erwarten auch nach Aberkennung seiner Ehrenmitgliedschaft weiter vom Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder, dass er seinen Einfluss geltend macht und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für Frieden in der Ukraine einsetzt», schrieben Koch und Watzke.