Keith Richards hat allen Grund zum Feiern. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Da waren es nur noch drei. Der Tod ihres Bandkollegen, Schlagzeuger und Freundes Charlie Watts im vergangenen Jahr hat die Rolling Stones hart getroffen. Trotzdem wollen Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood weitermachen.

Vor kurzem bestätigte die Band eine Jubiläumstour im Sommer mit 14 Konzerten in Europa, darunter in München und Gelsenkirchen. «Die Steine rollen einfach weiter», hieß es auf dem Twitter-Account der selbst ernannten «größten Rock ’n‘ Roll Band der Welt», die im Sommer ihr 60-jähriges Bestehen feiert.

«Für mich ist im Moment kein Ende abzusehen», sagt Gitarrist Richards im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. Das Gespräch findet noch vor der Tournee-Ankündigung statt, der 78-Jährige deutet aber schon entsprechende Pläne an. «Wir lassen nicht 60 Jahre verstreichen, ohne etwas zu machen», sagt «Keef» und lacht.

Start im Marquee Club

Eigentlich ruft er an, um über die Neuauflage seines Soloalbums «Main Offender» zu sprechen. Doch natürlich geht es auch um die Rolling Stones, die am 12. Juli 1962 im Londoner Marquee Club ihren ersten Auftritt unter diesem Namen hatten. «Ich erinnere mich, dass ich das Gefühl hatte, ich spiele in einem riesigen Stadion», erzählt Richards lachend. «Das Marquee war damals ungefähr der größte Club in London. Und wir hatten bis dahin im Grunde nur in Garagen gespielt.»

Von der heutigen Stones-Besetzung waren nur Richards und Frontmann Mick Jagger dabei, mit dem er anschließend unzählige Hits wie «(I Can’t Get No) Satisfaction», «Paint It Black», «Brown Sugar» oder «Miss You» schrieb. Von den Garagen ging es über Clubs in die großen Hallen und tatsächlich Stadien, in denen sie bis heute auftreten.

Doch nicht immer war sich das kongeniale Songwriter-Duo ganz grün. In den 80er Jahren war das Verhältnis zwischen den beiden sogar ziemlich angespannt: Jagger hatte Trends im Blick, wollte Sound und Image der Stones modernisieren, Richards wollte den musikalischen Wurzeln treu bleiben. Als sich Jagger weigerte, zum Stones-Album «Dirty Work» (1986) auf Tournee zu gehen, um sich seiner Solokarriere zu widmen, veröffentlichte Richards 1988 sein erstes Soloalbum «Talk Is Cheap».

Für seine Band, die X-Pensive Winos, rekrutierte er etablierte Musiker wie Gitarrist Waddy Wachtel oder Schlagzeuger Steve Jordan. «Wenn du bei den Rolling Stones spielst, denkst du: Tja, das ist es dann wohl so ziemlich gewesen», sagt Richards amüsiert. Aber damals habe er das schon so lange gemacht, «und die Möglichkeit, mit anderen Musikern zu spielen, war eine völlig neue Erfahrung. Obwohl ich schon ein alter Hase war, hat es mir ein neues Gefühl gegeben für die Dinge, die ich mache. Ich hab das also vor allem zum Spaß gemacht.»

Arbeit für Mick Jagger

Obwohl er sehr gern selbst singt, bleibt er hauptberuflich lieber in der Rolle des Gitarristen. «Ich habe schon einen unglaublichen Sänger, und ich muss dafür sorgen, dass er Arbeit hat», scherzt die Rocklegende. «Mein Hauptjob ist es wirklich und war es schon immer, dass ich Songs schreibe, die Mick Jagger singt. Das ist mein Job.»

Mit den Rolling Stones ging es ab 1989 zwar weiter, aber mit den X-Pensive Winos war trotzdem nicht Schluss. «Ich dachte damals, das wäre eine einmalige Sache, und das war super», sagt Richards. «Aber zwei Jahre später bestanden irgendwie alle darauf, dass wir wieder zusammenkommen.» Nach den gigantischen «Steel Wheels» und «Urban Jungle»-Tourneen der Stones ging er also wieder mit den Winos ins Studio und veröffentlichte 1992 die Platte «Main Offender».

Die Neuauflage zum 30. Jubiläum kommt als Deluxe-Edition und enthält neben dem remasterten Album ein zuvor unveröffentlichtes Konzert von 1992 aus London. «Ich hatte tatsächlich vergessen, dass wir das überhaupt aufgenommen haben», erzählt der 78-Jährige. «Das hat mich sehr gefreut. Man kann überall aufnehmen, aber ich glaube, wenn du in deiner Heimatstadt spielst, ist das einfach was Besonderes.»

Die Setlist enthält neben Richards‘ Solotracks, darunter die wunderbare Soulnummer «Hate It When You Leave», den Stones-Klassiker «Gimme Shelter» und «Before They Make Me Run», das der Kultgitarrist häufig auch bei Stones-Konzerten singt. Im Booklet zu sehen: Die Tickets für die Show im Londoner Town & Country Club, der heute The O2 Forum Kentish Town heißt, kosteten damals nur 15 Pfund (ca. 18 Euro). Von solchen Preisen kann man bei den Stones heute nur träumen.

Gut möglich, dass Richards auch mit den X-Pensive Winos bald wieder auf der Bühne steht. «Das ist eine interessante Idee und es gibt Gespräche dazu», sagt er etwas zögerlich. «Ich weiß nicht genau, ob ich darüber sprechen darf und weiß auch kaum was darüber.» Obwohl es ein Telefonat ist, scheint er das mit einem Augenzwinkern zu sagen.

Steve Jordan für Charlie Watts

Winos-Drummer Steve Jordan, mit dem Richards eng befreundet ist, spielt nun auch bei den Rolling Stones. Nach dem Tod des langjährigen Stones-Schlagzeuger Charlie Watts im vergangenen Jahr übernahm der 65-jährige dessen Posten. Watts hatte seinen Freund Jordan einst Richards vorgestellt. Er selbst hatte den Drummer auch als Ersatz für sich vorgeschlagen, als bei ihm gesundheitliche Probleme auftraten.

Bei aller Trauer um Watts – Neuzugang Jordan habe der Gruppe einen Energieschub verpasst, sagt Richards. «Ich glaube, die Rolling Stones wollen jetzt sehen, was wir in der neuen Besetzung noch auf die Beine stellen können.» Ruhestand? Das Wort existiere in seinem Wortschatz nicht, versichert Keith Richards. «Ich glaube, was ich mache, mache ich, bis ich umfalle.»

Von Philip Dethlefs, dpa

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