Flea (Bass, l-r), John Frusciante (Gitarre), Chad Smith (Schlagzeug) und Anthony Kiedis (Gesang) sind die Red Hot Chili Peppers. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sandy Kim/Warner Music/dpa)

Da klingt etwas anders und gleichzeitig vertraut auf dem neuen Album der Red Hot Chili Peppers. Auf der Single «Black Summer», die ihren neuen Longplayer «Ultimate Love» eröffnet, hört man es sofort.

Saitenmagier John Frusciante ist nach 15 Jahren zurück in der Band – und mit ihm auch dieser ganz besondere Gitarrensound, der Klassiker wie «Blood Sugar Sex Magik» oder «Californication» prägte. Auch Starproduzent Rick Rubin, mit dem die Red Hot Chili Peppers ihre größten Erfolge feierten, ist wieder an Bord.

Blick in 10.000 Richtungen

Einen Trip in die Vergangenheit machen die Kalifornier nach ihrer Reunion nicht. Auch auf «Ultimate Love», dem ersten Studioalbum seit «The Getaway» von 2016, sind sie wie immer musikalisch vielseitig unterwegs. «Ich wollte wirklich nicht dieselbe alte Geschichte erzählen, die wir seit 50 Jahren in der Rockmusik hören», betonte Frontmann Anthony Kiedis im Interview des britischen «NME». «Ich wollte in 10.000 Richtungen schauen und sehen, was da draußen ist.»

So überrascht der Song «Aquatic Mouth Dance» mit Jazz-Elementen, dicht gefolgt von der sanften, traurigen Pianoballade «Not The One», die Frusciante mit wunderschönen atmosphärischen Gitarrensounds anreichert, wie man sie eher von Prog-Rock-Giganten wie David Gilmour von Pink Floyd oder Steve Rothery von Marillion gewohnt ist – herrlich! Die Easy-Listening-Trompeten bei «Let ‚Em Cry» sind ebenfalls ein kleiner Geniestreich.

Das radiotaugliche «Veronica» beginnt mit einem fast psychedelischen Intro. Der smarte Refrain bleibt schon nach dem ersten Hören im Kopf. Überhaupt ist «Unlimited Love» reich an starken Melodien, die Kiedis gewohnt soft intoniert. Der Chilis-Frontmann könnte mit seinem Timbre auch Songs von Burt Bacharach problemlos singen. Seinen typischen Sprechgesang gibt Kiedis, der im November 60 Jahre alt wird, in den 17 Tracks nur selten zum Besten, am markantesten auf «Poster Girl» und «Here Ever After».

Mit Frusciantes Nachfolger und nun Vorgänger Josh Klinghoffer, der seinerzeit ebenfalls als Songwriter involviert war, lieferten die Red Hot Chili Peppers zwei hervorragende und erfrischende Alben ab. Doch als 2019 die Arbeit an neuen Songs begann, hakte es laut Kiedis. «Es ging langsam und ohne echten Drive», so der Frontmann. «Es mäanderte irgendwie so dahin.»

Comeback des Frusciante-Sounds

Bassist Flea und er hätten daraufhin unabhängig voneinander das Gefühl gehabt, dass es an der Zeit sei, ihren Ex-Kollegen Frusciante einzubeziehen. Die Trennung von Klinghoffer verlief dem Vernehmen nach ohne Animositäten.

Nach seinem zweiten Ausstieg bei den Red Hot Chili Peppers im Jahr 2009 – von 1992 bis 1998 war er wegen Drogenproblemen nicht dabei – hatte John Frusciante nach eigener Aussage die Lust an Rockmusik verloren. Nachdem er sich im letzten Jahrzehnt auf elektronische Musik konzentrierte, ist die Lust nun offenbar neu geweckt. «Ich hatte das Gefühl, da lag was in der Luft», sagte Frusciante, der mit 52 Jahren etwas jünger ist als Kiedis, Bassist Flea (59) und Schlagzeuger Chad Smith (60), im «NME»-Interview.

«Ich saß da mit meiner Gitarre und hab gedacht: Ich habe so lange keine Rockmusik mehr geschrieben. Kann ich das noch?» Er kann. «Unlimited Love» ist zwar kein rifflastiges Werk voller Rockkracher. «These Are The Ways» und «Heavy Wing» sind eher die Ausnahmen mit ihrem leichten Grunge-Einschlag, ansonsten geht es eher entspannt, melancholisch und funky zu. Aber wem die beiden Vorgängerwerke zu poliert waren, der wird über das Comeback des Frusciante-Sounds auf diesem vielseitigen, hochklassigen Album erfreut sein.

Weitere sechs Jahre müssen Fans nach «Unlimited Love» wohl nicht auf neue Musik der Red Hot Chili Peppers warten. Laut Rückkehrer Frusciante hat die Band weit mehr Songs aufgenommen als die nun veröffentlichten 17 Nummern. Das bestätigte auch Anthony Kiedis. «Seid nicht überrascht, wenn in näherer Zukunft noch eine Ladung Songs auf euch zukommt.»

Von Philip Dethlefs, dpa

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