EU-Ratspräsident Charles Michel kann sich auch weitergehende Sanktionen gegen Russland vorstellen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Dario Pignatelli/European Council/dpa)

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Embargo russischer Kohle-Importe wird weiter auch über einen Lieferstopp für Öl und Gas diskutiert.

«Ich denke, dass Maßnahmen zu Öl oder sogar Gas früher oder später gebraucht werden», sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch im Straßburger Europaparlament.

Nach Angaben des EU-Außenbeauftragen Josep Borrell hat die EU seit Kriegsbeginn 35 Milliarden Euro für Energieimporte an Russland gezahlt. Hingegen habe man der Ukraine nur eine Milliarde Euro für Waffen und militärische Ausrüstung gewährt, sagte er am Mittwoch in Straßburg. «Heute stoppen wir die Kohle, aber das ist nur ein sehr kleiner Teil der Rechnung», sagte er. Man müsse sich nun auch Öl anschauen, sagte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Am Dienstag hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, Kohle-Lieferungen aus Russland zu verbieten, um dem Land weitere Einnahmequellen zur Finanzierung seines Krieges gegen die Ukraine zu nehmen. Über die Maßnahme müssen nun die EU-Staaten einstimmig entscheiden. Vorgesehen ist derzeit, dass es für das Kohle-Importverbot eine dreimonatige Übergangsfrist gibt, in denen Lieferungen noch möglich sein sollen.

Die EU kauft vor allem fossile Energieträger aus Russland – daher kann sie hier einen hohen Druck über Sanktionen ausüben. Laut der Statistikbehörde Eurostat sind fast zwei Drittel der gesamten Importe aus Russland in die EU Energie. Dafür zahlten die Länder im vergangenen Jahr demnach 99 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr war die Energie teils viel billiger als in diesem Jahr. Die EU-Kommission kündigte am Mittwoch an, dass sie 17 Staaten technische Unterstützung leisten wird, um russische Importe fossiler Brennstoffe möglichst schnell zu verringern.

EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley sagte dem ZDF-Morgenmagazin, sie erwarte als nächstes einen EU-Importstopp für Öl aus Russland. «Öl wird auch, denke ich, relativ schnell kommen.» Ein Einfuhrstopp für russisches Gas wäre hingegen schwierig, sagte Barley. Damit hätte nicht nur Deutschland ein Problem, sondern auch andere Länder. Laut Manfred Weber, dem Vorsitzenden der EVP-Fraktion im EU-Parlament, würde eine Mehrheit im Parlament eine Resolution gegen Öl-Importe unterstützen. Sanktionen werden allerdings von den Mitgliedstaaten beschlossen.

Ifo-Präsident Clemens Fuest forderte hingegen ein sofortiges Gas-Embargo. «Falls es überhaupt sinnvoll ist, Gasimporte aus Russland einzustellen, dann sofort», schreibt Fuest in einem am Mittwoch veröffentlichten Aufsatz des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. «Ob wir 2024 diese Importe beenden wollen, wie die Bundesregierung jetzt plant, erscheint heute sehr zweifelhaft.» Nach dem Ende des Ukraine-Krieges sei es klüger, wieder Gas aus Russland zu importieren – um weiter Druck auf Russland ausüben zu können.

Die deutsche Industrie unterstützt die angedachten Kohle-Sanktionen gegen Russland, warnt aber vor einem Gas-Embargo. «Die Umsetzung ist nicht einfach und hat ihren Preis, aber die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Eskalation der Gewalt mehr als nachvollziehbar», sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf Kohle. Völlig anders sei die Situation beim Gas, so Russwurm: «Ein Komplettausfall russischer Gaslieferungen, die andere Lieferanten nicht kurzfristig ersetzen können, wäre ein gewaltiger Stresstest für die EU – mit unabsehbaren Folgen für Versorgungssicherheit, Wachstum, Beschäftigung und unsere politische Handlungsfähigkeit.»

Auch die Bundesregierung lehnt ein Embargo russischer Gasimporte ab und warnt vor schweren Schäden für die Wirtschaft.

Nach Angaben der deutschen Importeure wäre ein vollständiger Verzicht auf russische Kohle möglich, allerdings erst ab nächsten Winter, und es drohten höhere Preise. «Die russische Steinkohle kann durch Kohle aus anderen Ländern wie USA, Südafrika, Australien, Kolumbien, Mosambik und Indonesien ersetzt werden», sagte Alexander Bethe, Vorstandsvorsitzender des Vereins der Kohlenimporteure, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch).

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