Nach zwei Pandemiejahren beobachten einige Theater noch Zurückhaltung beim Publikum. Regisseur Christopher Rüping hatte zuletzt bei Twitter auf das Thema aufmerksam gemacht – mit dem Stichwort #publikumsschwund.
Nun eröffnete er mit dem Berliner Theatertreffen eines der wichtigsten Bühnenfestivals. Der Ticketverkauf lief auch dort zurückhaltender als üblich, sonst sind Karten oft innerhalb von Stunden oder Tagen ausverkauft.
«Wir haben beim Theatertreffen zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Verkaufszahlen, die wir zuvor hatten, als wir 2019 das letzte Mal analog stattgefunden haben», sagte Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer der dpa. Ähnliches berichtet etwa auch der Leiter der Berliner Kudammbühnen, Martin Woelffer.
Finanzielle Probleme für private Bühnen
«Auch wir bemerken schmerzlich, dass das Publikum noch nicht so selbstverständlich ins Theater geht wie vor der Pandemie», teilte Woelffer auf Anfrage mit. Außer ihrem Hit «Mord im Orientexpress» liefen alle anderen Vorstellungen unterdurchschnittlich. «Das ist besonders für die Privattheater existenziell bedrohlich.» Er habe immer gesagt, dass Coronahilfen bis zum Ende der Krise gezahlt werden müssten. «Die Krise ist noch nicht zu Ende.»
Zurückhaltung ist auch am Thalia Theater in Hamburg zu beobachten. Dort hatte Rüping vor einer Woche seine Inszenierung «Brüste und Eier» vorgestellt. Vorab hatte er getwittert, es werde voraussichtlich die erste Premiere sein, seit er Theater mache, die nicht ausverkauft sein werde. «Bricht mir das Herz.»
Am Ende seien doch mehr als 600 Zuschauer in der Premiere gewesen, teilte Geschäftsführer Tom Till mit. Das sei zwar immer noch unter ihrem Standard, aber auch keine Katastrophe. «Christopher Rüpings Tweet hat an der Abendkasse offenbar geholfen.» Die Besucherzahlen haben sich aber auch dort anders entwickelt als erwartet.
Guter Herbst und starker Einbruch
«Als wir diese dritte Corona-Spielzeit 2021/22 geplant haben, dachten wir, im Herbst ist es schwierig und ab Beginn des neuen Jahres läuft es dann so gut wie früher», teilte Till mit. «Es kam genau anders rum.» Der Herbst sei hervorragend gelaufen mit Auslastungen von 80 Prozent und mehr. Mit Beginn der Omikron-Welle sei die Nachfrage zurückgegangen – und auch mit Beginn des Krieges in der Ukraine. «Die Leute haben Angst und Sorge, halten ihr Geld zusammen, wissen nicht, wie es weitergeht», sagte auch Intendant Joachim Lux.
Noch macht auch das Coronavirus den Spielplänen zu schaffen. «Den Tiefpunkt haben wir im April erlebt, wo zudem Corona quer durchs gesamte Ensemble rauschte und viele Vorstellungen umbesetzt, geändert oder gar abgesagt werden mussten», teilte Geschäftsführer Till mit. Im Mai und den verbleibenden Wochen bis zur Spielzeitpause im Juli scheine der Verkauf erfreulicherweise wieder anzuziehen, wobei er noch nicht auf dem gewohnten Niveau angekommen sei.
Büdenhölzer: Andere Dinge im Fokus
Zur Eröffnung des Theatertreffens am Freitagabend jedenfalls war das Haus der Berliner Festspiele voll, aber für einige Veranstaltungen in den kommenden Tagen waren zunächst noch Karten zu haben. Büdenhölzer, deren Festival nun noch bis 22. Mai läuft, sieht unterschiedliche Gründe für die langsamere Buchung beim Publikum. Nach zwei Jahren Pandemie seien manche Menschen noch nicht wieder an dem Punkt, zurück im Theater zu sein. «Das hat auch damit zu tun, dass andere Dinge in den Fokus gerückt sind. Netflix. Zuhausebleiben.» Einige mieden auch volle Räume noch. Andere wiederum störten sich am Tragen einer Maske oder hätten andersherum gerne eine Maskenpflicht. Sie denke, dass auch der Angriffskrieg Putins und die damit verbundene weltpolitische Lage eine Rolle spielten.
Wie steht es also um die Zukunft des Theaters? «Der Abgesang des Theaters wurde schon oft beschrien. Und ich bin der Überzeugung, dass das Theater eine so große Relevanz hat, dass es auch diese Krise überleben wird», sagte Büdenhölzer. «Ich glaube aber tatsächlich, dass sich das Theater – unabhängig von der Pandemie – verändern muss, um auch jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer an Theaterhäuser zu binden.» Das habe damit zu tun, welche Themen man erzähle, müsse aber auch schon mit Theaterbesuchen in der Schule beginnen.