Der Betreiber hat sich beim Teilstopp des Transits durch die Sojus-Pipeline auf einen Fall «höherer Gewalt» berufen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sergei Chuzavkov/AP/dpa)

Zweieinhalb Monate nach dem Einmarsch russischer Truppen hat die Ukraine kriegsbedingt die Lieferungen von russischem Gas in Richtung Europa reduziert.

Über das besonders umkämpfte ostukrainische Gebiet Luhansk floss seit Mittwochmorgen kein russisches Gas mehr in Richtung Westen, wie übereinstimmend aus ukrainischen und russischen Quellen hervorging. Größere Auswirkungen auf Deutschlands Versorgung hat das nach Behördenangaben bislang aber nicht. «Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist weiterhin gewährleistet», meldete die Bundesnetzagentur in ihrem täglichen Lagebericht.

Die Gasmengen, die über die Ukraine im bayerischen Waidhaus ankommen, seien infolge der Transit-Reduzierung gegenüber Dienstag um gut 25 Prozent zurückgegangen. «Diese Mengen werden aktuell durch höhere Flüsse insbesondere aus Norwegen und aus den Niederlanden ausgeglichen», so die Behörde. Auch sei kein nennenswerter Anstieg der Großhandelspreise zu verzeichnen.

Gasspeicher zu 38,6 Prozent gefüllt

Die Ukraine sucht nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach neuen Transportwegen für russisches Gas nach Westeuropa. Der Ausfall sei kompensierbar, sagte Habeck. Er gehe davon aus, dass das auch über den Sommer der Fall sei. «Die Frage ist natürlich, was kommt noch.» Wenn auf Dauer ein Drittel fehle, «dann wird es irgendwann natürlich eine Herausforderung». Anlass, nun eine weitere Stufe des Notfallplans Gas auszurufen, sehe er nicht.

Das Bundeswirtschaftsministerium hielt sich mit Prognosen zunächst zurück. Aktuell sei die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet, betonte eine Sprecherin. Die Füllstände der Gasspeicher stiegen aktuell auch weiter. Aktuell seien diese zu 38,6 Prozent gefüllt. «Was jetzt morgen passiert oder in einer Woche – das ist ja noch unklar», sagte die Sprecherin. Man könne aus der aktuellen Entwicklung noch keine Schlüsse für die Zukunft ziehen, auch Voraussagen zu Preisentwicklungen seien nicht möglich.

Der Großteil des russischen Gases erreiche Deutschland ohnehin über eine andere Pipeline, Nord Stream 1. Ein Ausweichen auf die fertig gestellte Pipeline Nord Stream 2, die am Ende nicht in Betrieb genommen wurde, schloss die Sprecherin aus. «Nord Stream 2 ist nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wirklich gestorben, und da denkt jetzt keiner daran, hierauf auszuweichen.»

Fall «höherer Gewalt»

Der russische Staatskonzern Gazprom hatte wenige Stunden zuvor bestätigt, dass am Mittwoch nur 72 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine in Richtung Westen fließen sollen. Am Vortag habe das Auftragsvolumen noch bei 95,8 Millionen Kubikmetern gelegen. Aufträge für die im Grenzgebiet gelegene Messanlage Sochraniwka, die Teil der Sojus-Pipeline ist, würden nicht mehr angenommen, hieß es vom ukrainischen Netzbetreiber OGTSU. Die Begründung: Russlands Besatzung mache die Kontrolle der Anlage und die der Verdichterstation Nowopskow unmöglich. OGTSU sprach von einem Fall «höherer Gewalt».

Russlands Energieriese Gazprom hielt dagegen, man habe «keinerlei Bestätigungen über Umstände höherer Gewalt» erhalten. Die Ukrainer hätten in den vergangenen Wochen ganz «ungestört» in Sochraniwka gearbeitet. Die nun wegfallenden Lieferungen stattdessen direkt an den Punkt Sudscha durchzuleiten, der auf russischem Territorium nahe dem ukrainischen Gebiet Sumy liegt, sei technisch nicht möglich, hieß es am Dienstagabend aus dem Moskauer Konzern. Die Ukraine hatte das vorgeschlagen. Ob ein Ersatz über andere Routen möglich ist, ließ Gazprom zunächst offen.

Der russische Staatskonzern bekräftigte einmal mehr, alle seine Verpflichtungen gegenüber europäischen Kunden zu erfüllen. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte: «Russland hat immer zuverlässig seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt und hat weiter vor, sie zu erfüllen.»

Die vertraglich mögliche maximale Auslastung des russischen Gas-Transits über die Ukraine liegt bei 109 Millionen Kubikmetern täglich. Den Angaben aus Kiew zufolge können nun bis zu 32,6 Millionen Kubikmeter pro Tag wegfallen. Die Ukraine bezieht aus der Durchleitung des russischen Gases wichtige Durchleitungsgebühren – und mahnte Gazprom an, diese auch weiter wie vereinbart zu zahlen.

Verpflichtende Gasreserven in der EU geplant

Die EU-Länder unterstützen unterdessen ein geplantes Gesetz für verpflichtende Gasreserven in der EU, um die Energieversorgung im nächsten Winter zu sichern. In ihrem Verhandlungsmandat legten Vertreter der Staaten jedoch fest, dass die Verpflichtung 2026 auslaufen soll, wie aus einer Mitteilung am Mittwoch hervorgeht. Das Gesetz sieht vor, dass die Gasreserven dieses Jahr bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt sein sollen, und in den nächsten Jahren zu dem gleichen Stichtag zu 90 Prozent. Auch das Parlament hatte seine Position schon festgelegt, somit können die Verhandlungen beginnen, damit das Gesetz rechtzeitig zum Winter in Kraft tritt.

Die EU hat sich vorgenommen, so schnell wie möglich von russischen Energie-Lieferungen loszukommen – laut einem Vorschlag der Kommission sollen Gas-Importe bis Ende des Jahres um zwei Drittel reduziert werden. Genauere Pläne dazu will die Behörde kommende Woche vorlegen.

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