Wann hat man das zuletzt gehört? «Billie! Billie! Billie!», schreit es spitz aus Dutzenden Kehlen in der mit rund 2000 Menschen gefüllten Halle.
Ein Ton ist noch nicht gespielt, aber die Ekstase greifbar. Hier wird jemand verehrt. Kurz wähnt man sich aufgrund der Klangkulisse im Jahr 1997 bei einem Auftritt einer großen Boyband, vielleicht bei den Backstreet Boys, aber nein – da hieß ja niemand Billie. Nur einer Brian.
«Billie! Billie! Billie!», damit ist an diesem Mittwochabend in Bonn Billie Eilish gemeint. 20 Jahre jung, aus Los Angeles und einer der größten Popstars der Gegenwart. In einem schwarzen Pullover setzt sie sich auf einen Stuhl, nimmt sich ein Mikrofon – und singt. «Ich bin so froh, euch zu sehen», sagt sie den aufgeregten Fans.
Besondere Show mit Bruder Finneas
Es ist eine besondere Show, die die 20-Jährige präsentiert. Zum einen ist es ein Akustik-Konzert, das ohne großen musikalischen Schnickschnack auskommt. Eilishs Stimme, dazu mal Gitarre, mal Klavier. Mit ihr auf der Bühne spielt ihr Bruder Finneas.
Zum anderen ist es ein Vorgeschmack auf ihre mit einiger Spannung erwarteten Konzerte in Europa. In Deutschland wird sie im Juni in Frankfurt, Köln und Berlin in großen Hallen erwartet. In Bonn tritt sie vorab im Telekom Forum auf, einem modernen, aber eher clubartigen Setting. Die Telekom und Eilish hatten bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet. Stunden vor dem Auftritt wendet sie sich auf Instagram an ihre rund 103 Millionen Follower weltweit mit den Worten «Hi Germanyyy». Hallo Deutschland.
Eilish kann auch ohne elektrische Beats
Was Deutschland dann zu hören bekommt, ist ein Beweis, dass Eilish eine fantastische Sängerin ist. Ihre durchproduzierten Songs, die im Radio laufen oder bei den großen Streaming-Anbietern hinterlegt sind, leben mitunter von elektronischen Beats und der Art, wie sie Eilish eingesungen hat – fast gehaucht, ohne große Geste, keine Oktave rauf und wieder runter. Man will manchmal die Lautsprecher aufdrehen, um alles zu verstehen. Nun, mit Akustik-Begleitung und live, zeigt Eilish, dass sie sie mühelos auch anders interpretieren kann.
Natürlich singt sie ihren Mega-Hit «Bad Guy», aber zum Beispiel auch «Ocean Eyes». Es ist das Lied, das sie mit 13 Jahren einst auf die Musikwebseite Soundcloud lud – der Ausgangspunkt für eine atemberaubende Geschichte. Mit 17 Jahren eroberte ihr Debütalbum die Charts, 2020 räumte sie als 18-Jährige die Grammy Awards in allen vier Hauptkategorien ab. Ende März holte sie mit ihrem Song «No Time To Die» für den Bond-Film «Keine Zeit zu sterben» den Oscar.
Eilish: «Ich fühle die dunklen Dinge»
Im Gästebereich tummeln sich an diesem Abend diverse Influencer, Schauspieler, Musiker. Alle wollen Eilish mal sehen. Warum ist das so? «Ich bin gekommen, weil Billie Eilish einfach – glaube ich – die Künstlerin unserer Generation ist», sagt Luna Schweiger, Tochter von Til Schweiger, selbst 25 Jahre alt. Mit der Musik könnten sich junge Menschen identifizieren. Corona, Krieg – es sei «überhaupt keine leichte Zeit aufzuwachsen», sagt sie. Eilish nehme einen dabei auf die Schulter. «Man denkt: Okay, ich bin nicht alleine.»
Tatsächlich schlägt dem Hörer aus vielen Eilish-Songs ein eher dunkleres Gemüt entgegen. «Warum sollte ich über Dinge schreiben, von denen ich nichts verstehe? Ich fühle die dunklen Dinge», hat sie dazu mal gesagt. Auf der Bühne, an diesem Abend, spürt man davon gar nicht mal so viel. Billie Eilish Pirate Baird O’Connell, wie sie mit vollem Namen heißt, lacht, bringt das Publikum zum Schreien und Singen, verteilt Handküsse. Die Schwere vermittelt sich eher in ihren Texten. Und in einem kurzen Moment am Ende, als sie sich eine ukrainische Fahne schnappt und hochhält.
«In ein paar Wochen bin ich in Köln», sagt Billie Eilish. Vielleicht sehe man sich ja da wieder.