Passanten spazieren durch die Hamburger Innenstadt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Reinhardt/dpa)

Sie tanzen, singen und machen dabei Werbung für Produkte, die den neuesten Trends entsprechen. Etwa 17,5 Millionen Follower haben die 19-jährigen Influencerinnen Lisa und Lena auf ihrem Instagram-Account «lisaandlena». Mode ist ihr Geschäft.

In ihren über 2000 Beiträgen tauchen immer mal wieder Luxus-Marken auf. Teure Marken sind auch ein Thema beim Influencer Sami Slimani, der mit Taschen, Parfüms oder Kleidung vor der Kamera posiert. Etwa 1,3 Millionen Follower schauen dem 32-Jährigen dabei zu (Stand 1. Juni 2022).

Nachfrage auf «Rekordniveau» – trotz Corona

Luxus-Mode für junge Menschen scheint laut Mode-Experten den Puls der Zeit zu treffen. Die junge Generation will exklusive Mode – und die Branche scheint darauf einzusteigen.

Das Institut für Handelsforschung Köln (IFH) beobachtet zwar seit Jahren, dass die Markenaffinität tendenziell eher abnimmt, aber zuletzt in der Pandemie wieder gestiegen und gerade bei jungen Menschen doch sehr hoch ist. «Die Luxus-Branche, so wie ich das sehe, hat durch Corona weniger gelitten. Eine Reihe von großen Herstellern hat sogar dazugewonnen», sagt der Fashion-Experte Hansjürgen Heinick vom IFH.

Im Januar teilte der französische Luxusgüterkonzern LVMH mit, dass er 2021 bessere Geschäfte als vor der Corona-Pandemie gemacht hat. Der Jahreserlös stieg demnach gegenüber 2020 um knapp 44 Prozent auf 64,2 Milliarden Euro. Das für Marken wie Louis Vuitton, Hublot oder Givenchy bekannte Unternehmen hatte 2019, also vor der Pandemie, einen Jahresumsatz von knapp 53,7 Milliarden Euro erzielt. Vor allem die Nachfrage nach Mode- und Lederwaren hätte 2021 ein «Rekordniveau» erreicht.

Die rege Nachfrage nach den Luxusmarken Gucci, Yves Saint Laurent und Bottega Veneta bescherte dem Luxusprodukte-Konzern Kering im Vorjahr einen Umsatz- und Gewinnsprung, wie er im Februar mitteilte. Das französische Unternehmen übertraf 2021 nicht nur das Corona-Jahr 2020, es toppte auch die Entwicklung des Jahres 2019. Der Umsatz stieg 2021 auf gut 17,6 Milliarden Euro – gut ein Drittel mehr als 2020 und 11 Prozent mehr als 2019.

Experte: Marken geben gewisse Orientierung

Warum kaufen Menschen mehr Luxusmode – trotz Pandemie? IFH-Experte Heinick hat eine Vermutung. «Ich glaube schon, dass einige Käufe möglicherweise als Ventil gesehen wurden, sich das ein oder andere Mal etwas Besonderes zu gönnen.» Generell seien Jugendliche viel markenaffiner als Ältere. Marken, auch teure Marken, gäben ihnen eine gewisse Orientierung.

Im 20. Jahrhundert konnte man sich nach Angaben von Carl Tillessen, Trendanalyst beim Deutschen Mode-Institut (DMI), noch darauf verlassen, dass die Unterschicht im unteren Preissegment einkaufte, die Mittelschicht im mittleren und die Oberschicht im oberen. Aber dieses «Kastendenken», diese Idee eines «standesgemäßen» Konsums, habe im 21. Jahrhundert keine Gültigkeit mehr.

«Die älteren, arrivierten Generationen und die jüngere, aufstrebende Generation leben nicht in getrennten Konsumwelten, die sich nicht berühren», sagt er. Im Gegenteil: Die Älteren wollen demnach unbedingt mitmachen bei der Schnäppchenjagd und die Jüngeren bestehen darauf, am Luxus teilzuhaben.

Eine Studie des Deutschen Modeverbands von November 2021 bestätigt den Trend. Bei der Frage, welche Klamotten im Kleiderschrank zuhause hängen, zeigt sie, dass insbesondere junge Menschen einen luxuriösen Kleidungsstil haben. Mit 13 Prozent seien die 18 bis 29-Jährigen allen anderen Generationen voraus.

Fokus auf junge Zielgruppe

Auch der stationäre Handel lebt der Studie zufolge vor allem von dieser jungen Käuferschaft – aber: 71 Prozent der 18- bis 29-Jährigen kauften in den Filialen von günstigen Anbietern ein. «Das würde dem jetzt so ein bisschen widersprechen, tut es aber nicht, weil die jungen Käuferschichten nämlich auch beides tun», sagt Tanja Croonen, Sprecherin des Modeverbands Deutschland.

Der Trendanalyst Tillessen hat für dieses Kaufverhalten der jungen Generation eine Erklärung. «Der Billigkonsum auf der einen Seite und der Erwerb von exklusiven Gütern auf der anderen Seite befriedigen uns auf so unterschiedliche Weise, dass junge Menschen das eine tun, aber das andere nicht lassen wollen», sagt er.

Die Luxusmarken richten sich Heinick zufolge mittlerweile mehr nach der jungen Zielgruppe. «Lange Zeit standen die großen Luxusmarken vor allem für zeitlose Eleganz. Heute beschäftigen sie sich viel mehr auch mit jungen Themen.» Das sehe man zum Beispiel am «Casualisierungstrend», wonach die Mode sportlicher, bequemer und lässiger ist.

Influencer spielen eine Rolle

Das Medienverhalten beeinflusst Modeverband-Sprecherin Croonen zufolge auch den Konsum junger Menschen. Eine wichtige Rolle beim Shoppen spielten soziale Medien sowie Influencer. Stars im Fernsehen hätten dagegen nicht mehr so viel Einfluss wie früher.

Nach Angaben von Trendanalyst Tillessen ist es für die oft sehr jungen Follower von manchen Influencern häufig gar nicht durchschaubar, ob die Influencer sich Luxusgüter kaufen können, weil sie so erfolgreich sind – oder ob sie so erfolgreich sind, weil sie sich Luxusgüter gekauft haben.

Bei den nicht gerade erschwinglichen Preisen stellt man sich die Frage, wie sich insbesondere junge Menschen Luxusartikel leisten können. Der Fashion-Experte Heinick sieht Second-Hand-Mode als eine mögliche Erklärung. «Gebrauchte Luxusmarken sind derzeit ein Trend.»

Zudem sind laut Axel Augustin, Sprecher beim Bundesverband des Textileinzelhandels (BTE), manche Luxuswaren echte Wertanlagen, so dass sich ihr Erwerb lohnt – auch für Jüngere. «Konsum ist immer auch ein Stück weit Eskapismus.»

Von Demy Becker, dpa

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