Weil zu viel und zu lange gespart wurde, fehle es sowohl am Boden als auch in den Flugzeugen an Personal, kritisierten die Betriebsräte der Lufthansa. (Urheber/Quelle/Verbreiter: picture alliance / dpa)

Bei der Lufthansa liegen die Nerven blank. Flankierend zu einer von den Gewerkschaften durchgesetzten Krisen-Sitzung des Aufsichtsrats haben einige Personalvertretungen das Krisen-Management des Vorstands scharf kritisiert.

Hintergrund sind zahlreiche Flugausfälle und mangelnde Serviceleistungen in den vergangenen Wochen, die zum Beispiel am Drehkreuz Frankfurt zu extrem niedrigen Pünktlichkeitswerten geführt haben.

In der vergangenen Woche waren laut einer internen Auswertung, die der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vorlag, gerade einmal 41,2 Prozent aller Lufthansa-Flüge pünktlich. Am Drehkreuz Frankfurt traf das sogar nur für gut jeden vierten Flug zu (26 Prozent). Konzernvorstand Detlev Kayser beklagte in dem Dokument eine massive Unterbesetzung bei den Dienstleistern der Bodenverkehrsdienste.

Im Zentrum der Kritik bei der Lufthansa steht Vorstandschef Carsten Spohr, der zuletzt eingeräumt hatte, es während der Corona-Krise «an der ein oder anderen Stelle» mit dem Sparen übertrieben zu haben. Die Betriebsräte sehen das anders: «Anstatt die Krise der gesamten Luftfahrtbranche als Chance zu sehen, mit vereinten Kräften einen gemeinsamen Weg durch die Pandemie zu finden, sah der Konzernvorstand darin offensichtlich vielmehr die Gelegenheit, langfristig tarifliche und betriebliche (Kosten-)Strukturen abzusenken.» In den kommenden Wochen und Monaten stehen zudem harte Tarifverhandlungen für das Bodenpersonal und die Piloten der Kerngesellschaft an.

Die Lufthansa äußerte sich zunächst nicht zum Verlauf und Inhalt der Aufsichtsratsitzung. Die Vize-Vorsitzende und Verdi-Gewerkschafterin Christine Behle hatte vom Management konkrete Handlungsprogramme verlangt. Sie höre wegen der Dauerbelastung von Krankenständen in einzelnen Einheiten von bis zu 40 Prozent. Auch nähmen die tätlichen und psychischen Angriffe auf das Personal besorgniserregend zu.

Betriebsräte kritisieren Personalmangel

Weil zu viel und zu lange gespart wurde, fehle es sowohl am Boden als auch in den Flugzeugen an Personal, kritisierten die Betriebsräte. Ihre Situationsanalyse fällt verheerend aus. Lufthansa verspiele ihren guten Ruf und verliere langjährige Gäste, heißt es in dem Brief, der dpa vorliegt. In vielen Bereichen fehle es an Personal, die Kollegen seien an der physischen und psychischen Belastungsgrenze, der Krankenstand erreiche zwischen 20 und 30 Prozent. Dem Vorstand halten die Arbeitnehmervertreter vor, nicht schnell genug umgesteuert zu haben. «Viel zu lange wurde an den Kündigungsdrohungen festgehalten, um die gewünschten Zugeständnisse doch noch zu erzielen, und in der Folge viel zu spät davon abgerückt.»

Die Abfertigungsprobleme am größten deutschen Flughafen in Frankfurt werden nach Einschätzung des Betreibers Fraport noch mehrere Monate anhalten. Man werde sich noch zwei bis drei Monate auf dem gegenwärtigen Niveau bewegen und auch noch weitere Flüge streichen müssen, sagte Vorstandschef Stefan Schulte. Mit Blick auf den Schulferienbeginn in Hessen und Rheinland-Pfalz am 23. Juli sagte er: «Die Sommer-Peaks kommen noch.»

Stundenkapazität gesenkt

In Kooperation mit dem Hauptkunden Lufthansa sind in Frankfurt für die Monate Juli und August bereits mehrere hundert Flüge gestrichen worden. Die maximale Stundenkapazität des Flughafens wurde um 10 auf 94 Flugbewegungen pro Stunde abgesenkt, um die Abfertigung der verbleibenden Flüge zu verbessern. «Das totale Chaos haben wir bislang vermieden», sagte Schulte.

Es gebe eine relativ hohe Unpünktlichkeit und insbesondere beim Gepäck lange Wartezeiten, für die sich Schulte bei den Passagieren entschuldigte. Derzeit werde die Verladung abgehender Flugzeuge sowie das Gepäck von Transit-Passagieren priorisiert. Wer in Frankfurt seine Reise beende, müsse daher auch schon mal zwei Stunden auf die Koffer warten. Zusätzlicher Aufwand entstehe, wenn die Fluggäste ohne Gepäck den Flughafen verließen, weil die Koffer dann nachträglich zugestellt werden müsse. Vergleichsweise problemlos verliefen hingegen die Passagierkontrollen.

Schulte räumte ein, die Entwicklung im Laufe der Corona-Krise falsch eingeschätzt zu haben. Die Abwanderung von Beschäftigten mit niedrigen Einkommen habe man aber selbst mit aufgestocktem Kurzarbeitergeld nicht verhindern können, weil diese Menschen auch auf die Schichtzulagen angewiesen seien. Sie hätten sich in anderen Branchen Jobs gesucht.

Von Christian Ebner, dpa

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