Bundesagrarminister Cem Özdemir (l, Bündnis 90/Die Grünen) unterhält sich bei einem Besuch mit Joachim Rukwied, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, auf einem Getreidefeld. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Weißbrod/dpa)

Spitzentreffen auf einem teilweise abgeernteten, etwa 2,8 Hektar großen Feld mit Grannenweizen: Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, schaute mit Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) in Eberstadt (Kreis Heilbronn) die Risse im trockenen Boden an. «Da ist null Bodenfeuchtigkeit», sagte Deutschlands oberster Agrarlobbyist, als der Grünen-Politiker zur Stippvisite auf Rukwieds Feld vorbeischaute. Özdemir erwiderte: «Hammer.» Politiker und Funktionär waren umringt von Fotografen und drei Kamerateams.

Der Klimawandel war auch ein Thema bei einer Presserunde mitten auf dem Feld gewesen. «Wir wollen alles gemeinsam tun, um die Folgen der Klimakrise so gering, wie möglich zu halten», sagte der Grünen-Politiker. Sitzend auf einer Bank an einem Biertisch, auf der rechten Seite Strohballen aufgebaut, spielten sich beide die Bälle zu und vermittelten einen recht harmonischen Umgang. «Wir haben einen kurzen Draht», sagte Özdemir. Man rufe sich an oder schreibe sich SMS. Doch der Grünen-Politiker betonte auch, die Ansichten beider seien nicht zu 100 Prozent deckungsgleich.

Knackpunkt Tierhaltung

Ein Knackpunkt zwischen Lobby und Politik ist das Thema Tierhaltung. Sie ist nach den Worten von Rukwied ein Rückgrat der Landwirtschaft. Sie müsse stabilisiert werden, mahnte er. Deutschland habe 2021 zehn Prozent der Schweinehalter verloren. «Wenn Sie nicht handeln, geht es so weiter», sagte der Landwirt zu seinem Gegenüber. Der zeigte Verständnis. Die Tierhalter hätten die meisten Probleme, und ihnen gehe es wirklich schlecht, sagte Özdemir, der überzeugter Vegetarier ist. Es werde nicht besser, wenn das Fleisch aus dem Ausland komme. Deshalb forderte der Bauernpräsident, dass die Politik jetzt eine verlässliche Finanzierung der Milliarden-Mehrkosten für mehr Tierwohl in den Ställen auf den Weg bringen müsse. Die Blockade der FDP müsse beendet werden.

In der Koalition wird seit Wochen über die Finanzierung gestritten. Özdemir machte deutlich, dass die Tierhalter den Umbau der Ställe nicht aus ihren Erlösen alleine finanzieren könnten.

Bei der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und Wurst setzt der Grünen-Politiker ein fünfstufiges Modell an. Es sieht die Haltungsformen Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland sowie Bio vor. Sie unterschieden sich vor allem darin, wie viel Platz die Tiere haben und wie komfortabel ihre Ställe ausgestattet sind. Nach Özdemirs Plänen soll die verbindliche staatliche Kennzeichnung im Verlauf des kommenden Jahres starten – allerdings zunächst nur beim Schweinefleisch.

Rukwied wandte sich gegen Überlegungen der Europäischen Union, beim Einsatz von Pflanzenschutzmittel drastische Einschnitte vorzunehmen. Die Ziele seien richtig, über die Maßnahmen müsse man reden. «Niemand ist gegen die Biene.»

Differenzen in Sachen Moore

Kleinere Differenzen traten beispielsweise beim Umgang mit den Mooren zutage. Für den Bundeslandwirtschaftsminister ist ihr Schutz ein zentraler Baustein für den Klimaschutz. Denn sie gelten als sehr effektiver Kohlenstoffspeicher. Der Bauernpräsident pochte bei anstehenden Klimaschutzmaßnahmen in Moorgebieten auf ein Mitspracherecht der Landwirte. Da sei eine Lösung notwendig, sagte Rukwied und Özdemir betonte, Moorschutz könne nicht gegen den Willen der Bauern erfolgen. Er stellte für sie Ausgleichszahlungen in Aussicht.

Nach rund 45 Minuten war der Auftritt der beiden vor den Medien am Biertisch vorbei und dann ging es noch einmal weiter mitten in das Feld – Mähdrescher fahren mit Rukwied am Steuer und Özdemir als Beifahrer. Zum Auftakt des Besuches hatte der Bauernpräsident dem Politiker unter Ausschluss der Öffentlichkeit seinen Hof und Anbauflächen gezeigt. Der Betrieb von Rukwied umfasst nach Verbandsangaben 340 Hektar Ackerbau (Getreide, Zuckerrüben, Ölfrüchte, Leguminosen) und Feldgemüse (Kohl) sowie 23 Hektar Weinberge. Zugleich ist Deutschlands oberster Agrarlobbyist laut Verband noch an einem Ackerbaubetrieb beteiligt.

Dass nicht alle mit der Agrarpolitik einverstanden sind, zeigte eine Demonstration vor Rukwieds Anwesen. Hier machten etwa ein Dutzend Landwirte ihrem Unmut Luft.

Von Oliver Schmale, dpa

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