Hanf-Pflanzen (Cannabis) wachsen in einem Garten. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Oliver Berg/dpa)

Blütezeit für die Cannabis-Branche – Hunderte Vertreter der Industrie aus Dutzenden Ländern sind am Dienstag in Berlin zum nach Veranstalterangaben größten Cannabis-Branchentreff Europas «ICBC» zusammengekommen. Teilnehmer machten dabei deutlich, dass sie mit großen Umsatzsprüngen durch die geplante Legalisierung von Cannabis in Deutschland rechnen. Eingeladen war auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). Er bat um Geduld bei der Gesetzgebung und betonte die Wichtigkeit von Gesundheits- und Jugendschutz.

«Ja, es ist eine riesengroße Euphorie bei uns in der Branche», sagte Jürgen Neumeyer vom Branchenverband der Cannabiswirtschaft der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach von möglichen Jahresumsätzen im «deutlichen zweistelligen» Milliardenbereich. «Wir werden nicht die deutsche Automobilindustrie, aber es ist natürlich ein gefragtes Produkt.» Teilnehmer der Konferenz bezifferten den jährlichen Bedarf für Deutschland auf 400 bis 600 Tonnen Cannabis-Blüten. Das lässt Goldgräberstimmung aufkommen.

Von Herstellern von Cannabisöl-Verdampfern über Firmen, die sich auf Saatgut und Gewächshausbeleuchtung spezialisiert haben oder auf Software zur Etikettierung und Nachverfolgung von Pflanzen und auf effizienten Vertrieb bis hin zu Anwaltsfirmen und Herstellern von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis – es geht um eine ganze Industrie, die auf gute Geschäfte hofft.

Sorgt Deutschland für Bewegung in Europa?

Zum Beispiel Hidde Siers, der mit seinem Messestand auf der Konferenz Werbung für einen niederländischen Düngemittel-Hersteller macht: «Es wird groß», sagt er. «Wenn Deutschland sich bewegt, wird ganz Europa das tun.» Kevin Clarke, der ein paar Stände weiter spezielle Cannabis-Erntemaschinen eines US-Herstellers anpreist, rechnet nach großen Wachstumsschüben durch die Liberalisierung in vielen US-Bundestaaten mit weiteren «deutlichen» Steigerungen durch die Freigabe von Cannabis in Deutschland.

Auf dem zweitägigen Treffen werden nach Einschätzung von ICBC-Gründer Alex Rogers Geschäfte im Wert von «hunderten Millionen Dollar» angebahnt. «Ihr seid die Zukunft von Europas Cannabis-Industrie!», ruft er zur Eröffnung wie ein Einpeitscher ins Publikum. Für ein bisschen Ernüchterung sorgt dann aber der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert mit seiner Rede. Ganz so schnell wird es nicht gehen mit der Legalisierung.

Noch viel Klärungsbedarf

Es handele sich um ein komplexes Vorhaben. Vieles muss Blienert zufolge noch geklärt werden. Wer darf wo anbauen? Wie wird die Produktsicherheit gewährleistet? Wie die Besteuerung? Soll es Obergrenzen geben für den Wirkstoffgehalt (THC)? Wie werden die geplanten Fachgeschäfte aussehen? Soll auch in Apotheken verkauft werden und auch Online? «Wir wollen es so machen, dass es funktioniert», sagte Blienert. Er wolle kein Gesetz, was hinterher korrigiert werden müsse oder was doch noch an der einen oder anderen Hürde scheitere.

Die Ampel-Koalition will seinen Angaben zufolge Ende des Jahres oder Anfang des kommenden Jahres einen Entwurf für ein Gesetz vorlegen. «Es ist 2023 im Parlament», sagte Blienert. Mit Blick auf all die noch zu klärenden Fragen erscheint ein Inkrafttreten vor 2024 eher unwahrscheinlich.

Blienert betonte, dass es ihm vor allem um Gesundheits- und Jugendschutz gehe und rief die Unternehmen der Branche zur Mithilfe auf, etwa mit Blick auf Werbung und Marketing. «Keiner kann außer Acht lassen, dass der Genuss von Rauschmitteln, dass der Genuss von psychoaktiven Substanzen bei missbräuchlichem Konsum wie bei vielen anderen Stoffen gesundheitsschädlich ist.» Er sprach mit Blick auf die geplante Freigabe von Cannabis zugleich von einem «Riesenschritt» in der Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland. «Das was jetzt ist, ist gescheitert.»

Eine Studie des Wettbewerbsökonomen Justus Haucap vom Institute for Competition Economics (DICE) an der Universität Düsseldorf hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass die Legalisierung dem Staat 4,7 Milliarden Euro pro Jahr einbringen könnte. In der Rechnung enthalten sind zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge aus dem legalisierten Geschäft mit der Droge und Einsparungen bei Strafverfolgung und Justiz.

Von Jörg Ratzsch, dpa

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