Kommt das Ende des Tarifstreits bei der Lufthansa? (Urheber/Quelle/Verbreiter: Peter Kneffel/dpa)

Trotz anhaltender Streikgefahr und Abfertigungschaos an den Flughäfen ist die Lufthansa in die Gewinnzone zurückgekehrt. Während wenige Meter entfernt die Delegationen des Unternehmens und von Verdi um einen Tarifabschluss für das Bodenpersonal rangen, kündigte Lufthansa-Chef Carsten Spohr den ersten operativen Jahresgewinn seit Ausbruch der Corona-Krise an. Der gerade noch vom Staat gerettete Konzern rechnet für das laufende Jahr jetzt mit einem Gewinn (bereinigtes Ebit) von mehr als einer halben Milliarde Euro. Für 2021 hatte Lufthansa bei dieser Kennzahl einen Verlust von mehr als 2,3 Milliarden Euro bilanziert.

Trotz der Rückkehr in die Gewinnzone tritt Lufthansa für 2023 etwas auf die Bremse. Es komme vor allem darauf an, den Betrieb zu stabilisieren und für die Kunden verlässlicher zu machen, sagte Spohr am Donnerstag in Frankfurt. Der MDax-Konzern will nach den Erfahrungen aus dem aktuellen Chaos-Sommer im kommenden Jahr 85 bis 90 Prozent des Vorkrisenprogramms anbieten. Im laufenden Jahr werden nach der Corona-Flaute im Frühjahr und etlichen Flugstreichungen im Sommer rund 75 Prozent herauskommen.

Angesichts hoher Energierechnungen und Inflation könne er sich nicht vorstellen, dass die private Nachfrage so weitergehe wie bislang, sagte Spohr. Positiv werde sich aber die Öffnung der Märkte Japan und China sowie die Rückkehr der Geschäftsreisenden auswirken. Die Kundschaft muss sich dabei auf deutlich höhere Preise einrichten, die laut Spohr stärker steigen könnten als die allgemeine Preisentwicklung. «Reisen und Fliegen werden teurer werden», sagte der Lufthansa-Chef. Angesichts der verzögerten Auslieferung neuer Flugzeuge könnte die Hochpreisphase mehrere Jahre anhalten, weil auch Konkurrenten keine zusätzliche Kapazität aufbauen könnten.

Tarifverhandlungen zunächst ohne Ergebnis

Spohr zeigte sich optimistisch, die Tarifkonflikte insbesondere bei der Kerngesellschaft Lufthansa lösen zu können. Die Verhandlungen für das Bodenpersonal der Lufthansa blieben jedoch zunächst ohne Ergebnis. Die Gewerkschaft Verdi und das Unternehmen setzten am Donnerstagnachmittag ihre Gespräche in einem Frankfurter Flughafenhotel fort. Dabei zeichnete sich weder ein Abbruch noch ein erfolgreicher Abschluss ab.

Spohr äußerte Verständnis für den Unmut in der Belegschaft «nach zweieinhalb extrem harten Jahren». «Die Belastung war einfach riesig.» Den streikbereiten Piloten der Kernmarke Lufthansa bot er an, die zwischenzeitlich aufgekündigte Flottenzusage zu erneuern. Bis Ende vergangenen Jahres durften 325 der mehr als 700 Jets der Konzernflotte ausschließlich von Piloten geflogen werden, die nach dem Konzerntarifvertrag bezahlt wurden. Man sei sich zudem mit der Vereinigung Cockpit im Ziel einig, vor allem die unteren Lohngruppen zu begünstigen.

Beim Personal scheint der Kranich das Sparen übertrieben zu haben, wie Spohr bereits früher eingeräumt hatte. Von gut 140.000 Beschäftigten vor Corona waren Ende Juni noch 106.000 an Bord. Viele Einheiten arbeiten in diesem Sommer an ihren Kapazitätsgrenzen, so dass noch im laufenden Jahr 5000 zusätzliche Leute eingestellt werden sollen. Auch im kommenden Jahr will Lufthansa 5000 zusätzliche Stellen schaffen – vor allem in den Flugzeugen, beim Bodenpersonal und bei der Technik. Bei ihrem Warnstreik hatte Verdi stets auch Entlastung durch Neueinstellungen verlangt.

Warnstreik kostete Lufthansa mehr als 35 Millionen Euro

Das Abfertigungschaos hat die Konzern-Airlines im Frühjahr 158 Millionen Euro gekostet, um Ersatzflüge oder Hotels sowie Entschädigungen an die Passagiere zu bezahlen. Insgesamt sind dafür im laufenden Jahr zwischen 450 und 500 Millionen Euro eingeplant. Allein der Verdi-Streik am vergangenen Mittwoch mit mehr als 1000 ausgefallenen Flügen koste etwa 35 Millionen Euro, sagte Finanzvorstand Remco Steenbergen. Angesichts steigender Durchschnittserlöse war das für den Konzern aber leichter zu verkraften. Pro Ticket nahm die Lufthansa im zweiten Quartal 24 Prozent mehr ein als ein Jahr zuvor, und auch im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 waren es noch 10 Prozent mehr.

Dabei gelang der Lufthansa in den Monaten April bis Juni wie anderen europäischen Airlines die Rückkehr in die Gewinnzone. Der Konzernumsatz legte von 3,2 Milliarden auf fast 8,5 Milliarden Euro zu. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) erreichte 393 Millionen Euro nach einem Minus von 827 Millionen Euro im pandemiegeprägten Vorjahreszeitraum. Unter dem Strich verdiente die Lufthansa 259 Millionen Euro nach einem Verlust von 756 Millionen ein Jahr zuvor. Es war der erste Nettogewinn seit Beginn der Corona-Krise.

Im Passagiergeschäft ging es aufwärts, reichte aber noch nicht für einen Gewinn. So vervierfachte sich die Zahl der Fluggäste auf rund 29 Millionen. Dass die Lufthansa konzernweit wieder schwarze Zahlen schreibt, lag vor allem am Frachtgeschäft: Allein Lufthansa Cargo erwirtschaftete im zweiten Quartal einen operativen Gewinn von fast einer halben Milliarde Euro. Spohr baut auch bei seiner Gewinnprognose für 2022 besonders auf die Frachtsparte: So soll die voll ausgelastete Cargo ihren operativen Rekordgewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro von 2021 in diesem Jahr in etwa wiederholen.

Von Christian Ebner, dpa, und Steffen Weyer, dpa-AFX

Von