Der französische Zeichner und Karikaturist Jean-Jacques Sempe bei der Arbeit in seinem Haus in Paris. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Stephane De Sakutin/AFP/dpa)

Gleich ob in der Schule, zu Hause oder beim Spiel mit seinen Freunden: Nick ist immer zu Streichen bereit. Jean-Jacques Sempé hat zahlreiche Geschichten des aufgeweckten Bengels gezeichnet, die sich millionenfach verkauft haben. Nun ist der französische Autor der weltberühmten Kinderbuchserie, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde, im Alter von 89 Jahren gestorben, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Verweis auf Sempés Ehefrau berichtete.

Der Nachwelt hinterlässt der Zeichner und Cartoonist über 40 Bildbände, darunter sein größter Erfolg «Der kleine Nick». Die Serie, im Original «Le Petit Nicolas», ist zusammen mit dem 1977 gestorbenen Texter René Goscinny, Autor der Asterix-Hefte, entstanden. Sempé beschreibt eine Kindheit, die er sich stets erträumt hat. Die ersten Abenteuer wurden 1956 in Comic-Form in einer belgischen Zeitschrift veröffentlicht, bevor sie 1959 in der Regionalzeitung «Sud-Ouest» abgedruckt wurden.

Der unvollkommene Mensch als Subjekt

Mitte der 60er Jahre beschloss Goscinny, den verrückten Einfällen des Dreikäsehochs ein Ende zu setzen. Seitdem wurde der Kinderbuch-Klassiker regelmäßig neu aufgelegt, als Comic oder als Bücher seiner gesammelten Abenteuer. Im Jahr 2009 kamen die Abenteuer erstmals auf die Leinwand.

Sempé hat Geschichten über den Menschen in seiner Unvollkommenheit gezeichnet, das winzige Individuum in einer monströsen Umwelt oder den Bildungsbürger mit seinen Spleens. Mit seinem liebevoll-ironischen Strich war er dem kauzigen bis schrulligen Charme der Bourgeoisie auf der Spur, ebenso wie dem kleinen Mann, der aus der Masse hervorstechen will, oder den Schönen und Reichen.

Der Künstler wurde am 17. August 1932 bei Bordeaux geboren. Seine ersten Zeichnungen veröffentlichte er bereits 1950, zunächst noch unter dem Pseudonym DRO in Anspielung auf das englische Verb «to draw» (zeichnen). Wenige Jahre später entwarf er Cartoons für Zeitschriften wie «Paris Match», «Marie Claire», «L’Express» und das renommierte Magazin «The New Yorker», für die er mehr als 50 Covers zeichnete. Neben dem Welterfolg «Der kleine Nick» und «Die Geschichte von Herrn Sommer» von Patrick Süskind hat er viele eigene Bücher publiziert, darunter auch ein Werk, in dem er auf seine Zeit als Kind blickt.

Wie er in dem 2012 auch auf Deutsch erschienenen Bilderbuch «Kindheiten» erzählt, war seine eigene Kindheit und Jugend als Sohn eines Lebensmittelhändlers eher bedrückend. Ständig Geldprobleme und streitende Eltern. Er hatte Ärger in der Schule und flog später bei einem Weinhändler aus der Lehre. Mit zwölf begann er zu zeichnen, und dank seines Talents erhielt er als 19-Jähriger einen Nachwuchspreis. Er habe nichts anderes Vernünftiges machen können, erklärte er später. Sein heimlicher Traum war es gewesen, Jazz-Musiker zu werden – so wie sein Idol Duke Ellington.

Genauer Beobachter

In seinen Geschichten analysierte und ordnete er die Welt und die Menschen. Dabei nahm er sich selbst nie aus. «Ich zeichne meine eigenen Schwächen», sagte der Künstler einmal. Und weil er seinen Figuren gegenüber, die oft in komplizierten menschlichen Beziehungsgeflechten stecken, stets Nachsicht walten ließ, nannten ihn die Kritiker auch den «barmherzigen Beobachter der menschlichen Komödie».

Leute in lächerlichen Situationen zu zeigen, mache ihm keinen Spaß, erklärte er einst. Er bevorzuge, Menschen darzustellen, für die er eher Sympathie als Antipathie empfinde. Nie ging es bei ihm um vordergründige Ironie oder doppeldeutigen Witz, sondern um die Genauigkeit der Beobachtung, die den Reiz seiner Geschichten ausmacht, gleich ob es sich dabei um den Musiker auf dem verlassenen Bahnsteig handelte, den modernen Manager auf dem Flughafen oder den gelangweilten Bootsbesitzer in Saint-Tropez.

Der scheue Zeichenkünstler hat mehr als 60 Jahre lang die Menschen beobachtet und über das Leben philosophiert. Seine Geschichten über ihre Laschheiten und Falschheiten, ihre großen und kleinen Freuden und Enttäuschungen brachten ihm den Ruf ein, einer der «größten Soziologen» zu sein.

Von Sabine Glaubitz, dpa

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