Sein neues Album sei ein Stimmungsbild der vergangenen zwei Jahre, sagt Friedrich Liechtenstein. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Kalaene/dpa)

Friedrich Liechtenstein gehört zu den Berliner Künstlertypen, die einem manchmal Rätsel aufgeben. Manche kennen ihn aus Werbespots – millionenfach klickte sich etwa der «Supergeil»-Song für eine Supermarktkette. Dabei macht Liechtenstein viel interessantere Dinge, zum Beispiel Musik. «Good Gastein» heißt sein neues Album. Eine Mischung aus eingesprochenen Texten, gecoverten Songs und anderen Stücken.

Wenn er versucht, die Idee dahinter zu erklären, greift er – sehr bescheiden – zurück auf die Kunstgeschichte. «Es ist ja ein Konzeptalbum. Und es ist eigentlich eine ziemliche Frechheit, es den Leuten zu geben, ohne das Konzept genau zu beschreiben», sagt Liechtenstein. «Ohne Konzept ist ja auch das berühmte Pissoir, das Ready-made von Duchamp, nur eine Frechheit.»

Anfangs klingt die Platte mit «We Have All The Time In The World» nach Spätsommerabend, dann geht es um «Tomatenliebe». Tomaten lässt der 66-Jährige auch in seinem Dachgarten wachsen, die besten seien aber transsilvanische Tomaten aus Rumänien.

Mit Corona auf der Intensivstation

Mit Bart und Sonnenbrille, Anzug und (manchmal) goldenen Fingernägeln hat sich Liechtenstein eine Figur mit Wiedererkennungswert gebaut. Sein neues Album habe eine «Knäckebrothafte» Traurigkeit – es sei ein Stimmungsbild der vergangenen zwei Jahre, sagt Liechtenstein. Er lag im ersten Pandemiejahr selbst mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation. Das mache etwas mit einem.

Auf dem Album geht es um Schokoladenpudding und Itsy Bitsy Spider, um blutdampfende Leiber und den österreichischen Kurort Bad Gastein (so hieß ein früheres Album). Und immer wieder um Berlin. («Ach Berlin, du bist wirklich nichts Großes, nichts zum Niederknien. Meistens irgendein Quatsch und sehr viel Kokain.»)

Ein Stück Vergangenheitsbewältigung

Liechtenstein stammt aus der DDR, ist gelernter Puppenspieler und im Osten Berlins verhaftet. Auf dem neuen Album besingt er nun ausgerechnet «Westberlin». Fast zehn Minuten lang nimmt er einen mit auf Zeitreise zu Orten und Personen im alten Westen. Für Liechtenstein auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung.

«Ich habe immer empfunden, dass es da so ein Mitleid gibt, wenn Menschen sagen: ‚Och Mensch, den ganzen Osten haben sie euch weggenommen. Ihr Armen!‘ Das hört man ja nicht gerne», sagt Liechtenstein. «Dann war ich mal in Tegel bei einer kleinen Busfahrt, da saßen viele Westberliner im Bus. Wir sind über den Flughafen Tegel gefahren – da sind auch die Tränen gekullert. Die haben sich auch beschwert, was ihnen alles genommen wurde.»

«Manche sagen: ‚Ihr jammert immer – aber glaubst du, unser Westberlin ist noch da? Das wurde uns auch genommen.‘ Das fand ich irgendwie rührend», erzählt er. «Und ich dachte mir: Okay, das kann man ja mal zurückgeben und sagen: ‚Westberlin, das war schön. Lass‘ uns doch mal rübergehen und gucken, ob die alten Häuser noch stehen‘. Das ist auch ein bisschen frech und das finde ich ganz schön.»

Gleichzeitig sei es eine Auseinandersetzung mit seinem Sehnsuchtsort in den 1980ern. «Man hat immer von Westberlin geträumt, von den Orten gehört und den Konzerten, dem Hochglanz, dem Ku’damm, den geilen Leuten. Bei genauerem Betrachten ist es auch ein bisschen spießig.» Das Lied klingt also etwas nostalgisch, etwas ironisch. «Der Text stamme von einem Gastronomen, sagt Liechtenstein. Bei aller Ironie und Distance sei es ein großes Liebeslied auf Berlin.

Von Julia Kilian, dpa

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