Eine Abweisung der ungewöhnlichen Klage gab es nicht – wie der juristische Streit über mehr Klimaschutz zwischen einem Biobauern und VW ausgeht, ist aber schwer zu sagen. Der Ökolandwirt Ulf Allhoff-Cramer nahm die Vertagung durch das Detmolder Landgericht am Freitag mit gemischten Gefühlen auf. «Ich bin froh, dass das Gericht weiterverhandelt», sagte der 62-Jährige. Doch der für den 3. Februar 2023 angesetzte Folgetermin sei recht spät: «Ich bin traurig, dass wir ein halbes Jahr verlieren. Die Zeit läuft uns davon.»
Die Klimakrise schreite «entsetzlich schnell» voran und gefährde die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe. Der Volkswagen-Konzern müsse endlich Verantwortung übernehmen und rascher als bisher umsteuern.
Mit seiner Klage will Allhoff-Cramer den Branchenriesen zwingen, den Verkauf von Autos und leichten Nutzfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren spätestens 2030 weltweit einzustellen. Im Mai hatte es eine erste Verhandlung gegeben, die für den Bauern ernüchternd verlaufen war: Der Vorsitzende Richter Manfred Pohlmeier hatte ihn gewissermaßen zum Nachsitzen verdonnert. Am Freitag stellte sich nun die Frage, was die Kammer zu den geänderten Klageanträgen sagen würde. Möglich war, dass sie die Sache abhakt und die Klage abweist. Das war nicht der Fall.
Nur eine Minute sprach der Richter. Einen Teil der Klage – einen Antrag, mit dem VW prozentuale CO2-Senkungsvorgaben gemacht werden sollen – befand er als «nicht bestimmt» genug. Auch an anderen, eher nachrangigen Klageteilen äußerte Pohlmeier Kritik. Eine VW-Sprecherin interpretierte diese Haltung später als «ernsthafte Zweifel» an den Vorwürfen. Der Konzern hat Klageabweisung beantragt.
Allhoff-Cramers Anwältin Roda Verheyen bewertete die Erklärungen des Richters anders. Sie freute sich, dass er einen Teil der Klageschrift – und zwar den Antrag auf das Verkaufsverbot ab 2030 – unerwähnt gelassen hatte. Durch die Nicht-Nennung sei dieser Antrag zulässig, folgerte Verheyen: «Das ist gut, das ist ein positives Zeichen.»
Greenpeace unterstützt Landwirt
Der Landwirt wird von der Umweltschutzorganisation Greenpeace unterstützt. Ein ähnliches Verfahren gegen Volkswagen läuft vor dem Landgericht Braunschweig, dort klagen zwei Greenpeace-Geschäftsführer und eine Fridays-for-Future-Aktivistin. Auch andere Autobauer sind vor verschiedenen Gerichten mit Klimaschutz-Forderungen konfrontiert – die Deutsche Umwelthilfe etwa geht gegen BMW und Mercedes-Benz vor. Letztinstanzliche Entscheidungen sind bisher noch nicht absehbar.
VW weist die Vorwürfe im Detmolder Verfahren zurück und betont seine Fortschritte in der E-Mobilität. Zudem liege der allergrößte Teil der CO2-Emissionen von Autos im Einflussbereich der Fahrer und nicht des Herstellers. Außerdem könne man die konkreten Folgen des Klimawandels für eine kleine Fläche nicht präzise vorhersagen, heißt es von VW.
Die Frage verbindlicher Auslauftermine für neue Verbrennerfahrzeuge ist seit langem ein zentraler Streitpunkt zwischen Klimaschützern und der Autoindustrie – auch und gerade im Fall von Volkswagen. Greenpeace wirft dem größten europäischen Industrieunternehmen immer wieder vor, nicht genug zur Bekämpfung der Erderhitzung zu tun.
VW will sich zeitlich nicht festlegen
VW baut seine Palette an Elektrofahrzeugen zwar kontinuierlich aus und will auch die Werke nach und nach mit mehr Ökostrom versorgen. Aber ein fixes, für alle Konzerntöchter und Absatzgebiete geltendes Enddatum für den Verkauf klassischer Diesel und Benziner scheuen die Wolfsburger mit Verweis auf regionale Unterschiede.
Je nach Land und Marke sind die Pläne verschieden. In Norwegen zum Beispiel will der VW-, Audi- und Skoda-Importeur schon ab 2024 keine Verbrenner mehr einführen. Das Verkaufs-Aus beziehe sich dort bislang nur auf die Kernsparte, heißt es aus Wolfsburg. Für das übrige Europa gelte: «Die Marke Volkswagen wird zwischen 2033 und 2035 das letzte Fahrzeug mit Verbrennungsmotor verkaufen, Audi im Jahr 2033.»
Der neue VW-Konzernchef Oliver Blume will die Nachfrage nach Dieseln, Benzinern oder Erdgasautos grundsätzlich «noch zahlreiche Jahre» bedienen, auch wenn langfristig die vollständige Elektrifizierung den Durchbruch schaffen soll. EU-Parlament und EU-Kommission haben die Absicht, die Zulassung neuer Verbrenner ab 2035 zu untersagen. Für gebrauchte Autos mit klassischen Antrieben gilt das nicht.
Greenpeace-Aktionen gegen VW
Zwischen Greenpeace und VW gab es schon öfter öffentlich ausgetragene Hakeleien. Mehrfach organisierten Aktivisten Proteste am Stammwerk des Autobauers, wo sie Transparente von Gebäuden herabließen. Auch Bahngleise rund um das Wolfsburger Fabrikgelände wurden blockiert.
2012 kaperten Greenpeace-Mitglieder eine VW-Hauptversammlung, der damalige Chefaufseher Ferdinand Piëch nannte sie «Unruhestifter». Und zu einer TV-Werbung von VW mit Anspielungen auf die Star-Wars-Saga ließ die Umweltorganisation einen satirischen Gegen-Spot drehen, in dem sie die Volkswagen-Zentrale als «Todesstern» verballhornte.
Eine der jüngeren Aktionen war im Frühjahr 2021 das Abziehen Hunderter Autoschlüssel von fertigen Modellen am VW-Werk Emden, die anschließend auf der Zugspitze in Bayern landeten. Den benachbarten Schneeferner-Gletscher hatte Greenpeace ausgesucht, weil dieser vom Klimawandel besonders betroffen sei. Der damalige VW-Chef Herbert Diess nahm die Intimfeindschaft beider Seiten meist sportlich. Bei Twitter schrieb er zur «Einladung», die Schlüssel aus dem Hochgebirge abzuholen: «Gerne Zugspitze, heute schaffe ich aber nicht mehr – möchte nicht den Flieger nutzen. Demnächst bei gutem Wetter?»