Monatelang bangte Schwedt um die Zukunft der PCK-Raffinerie. Die Anlage mit 1200 Mitarbeitern ist so etwas wie das wirtschaftliche Herz der brandenburgischen Oderregion. Aus zwölf Millionen Tonnen Rohöl produziert die Anlage Benzin und Diesel, Heizöl, Kerosin und andere Produkte für den gesamten Nordosten. Mit dem beschlossenen Öl-Embargo gegen Russland ab 1. Januar schienen die Perspektiven des Werks düster. Doch soll es eine Lösung geben.
Am Freitagmorgen teilte die Bundesregierung mit, sie werde den russischen Mehrheitseigner des PCK unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur stellen – genau genommen die Rosneft Deutschland GmbH und die RN Refining & Marketing GmbH, die nicht nur am PCK, sondern auch an den Raffinerien Miro in Karlsruhe und Bayernoil in Vohburg in Bayern beteiligt ist. Rosneft vereine insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und sei damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland, erläuterte das Bundeswirtschaftsministerium. Nun also hat die Bundesnetzagentur und damit der Staat die Kontrolle. Wie kam es dazu und was bedeutet das für Schwedt und das PCK?
1. Die Ausgangslage: Russischer Betreiber verarbeitet russisches Öl
Das PCK – früher einmal VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt, daher die Abkürzung – wird seit Jahrzehnten über die «Druschba»-Pipeline mit russischem Öl beliefert. Es gehört zu gut 54 Prozent den Töchtern des russischen Staatskonzerns Rosneft. Dieser wollte ursprünglich vom Mitbesitzer Shell auch noch dessen Anteile von 37,5 Prozent kaufen, was aber gestoppt wurde. Als Russland Ende Februar in der Ukraine einmarschierte und die Europäische Union deshalb das Öl-Embargo gegen Moskau beschloss, stand die Bundesregierung vor zwei Problemen: PCK war abhängig von russischem Öl. Und das Sagen hatte ein russischer Betreiber. Dieser – so stellte es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dar – hatte kein Interesse an einer Abkehr von russischem Öl.
2. Habecks Lösungsskizze
Habeck fuhr Anfang Mai nach Schwedt und skizzierte schon damals eine Lösung für PCK: Lieferungen nicht-russischen Öls über alternative Routen; Finanzhilfen des Bundes; und eine mögliche Treuhandstruktur anstelle des bisherigen Betreibers Rosneft. Habecks Staatssekretär Michael Kellner formulierte später eine Standortgarantie: Das PCK werde auch 2023 ohne Öl aus der «Druschba»-Pipeline weiter arbeiten. Offen blieb jedoch, ob sie voll ausgelastet sein würde.
Denn zunächst kann nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums nur bis zu 60 Prozent des Ölbedarfs alternativ über den Ostseehafen Rostock gedeckt werden. Lägen Teile der Anlage brach, wären nicht nur Jobs in Gefahr. Es würden wohl auch kurzfristig regional Treibstoffe fehlen. Monatelang wurde also daran gearbeitet, die Lücke zu stopfen. Rosneft schlug vor, kasachisches Öl zu kaufen. Habeck peilte hingegen Tankeröl aus dem polnischen Hafen Danzig an. Das Problem: Polen hatte zu Kriegszeiten offenbar kein Interesse an der Belieferung des russischen Staatskonzerns Rosneft.
3. Der Staat steigt ein
Habeck sprach schon früh von einer Treuhandlösung. Genau das passiert jetzt mit der Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur für sechs Monate. Die gesetzlichen Grundlagen wurden Mitte Mai im Energiesicherungsgesetz gelegt. Zur Sicherung der Versorgung sieht dieses «die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung über Unternehmen der kritischen Infrastruktur und als Ultima Ratio auch die Möglichkeit einer Enteignung» vor, wie der Bundestag damals mitteilte.
Der Eingriff des Staates bei PCK war für die Bundesregierung trotzdem heikel. Lange befürchtete man, Russland werde als Vergeltung die Gaslieferungen über Nord Stream 1 kappen. Das tat Moskau dann ohnehin. Dann sorgte man sich, dass Russland auch die Öllieferungen sofort einstellen würde, ohne auf das EU-Ölembargo zu warten. Diese Gefahr könnte weiter bestehen.
4. Was bedeutet die Ankündigung der Bundesregierung?
Details wollen Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke erst am Freitagnachmittag erläutern. Zur Lösung soll auch ein «umfassendes Zukunftspaket» für Schwedt gehören.
Aber sollte Russland von heute auf morgen kein Öl mehr nach Schwedt liefern, könnte kurzfristig die Auslastung zurückgehen, bis Ersatz kommt. In der Folge könnte es zeitweise schwieriger werden, die Tankstellen in Ostdeutschland zu beliefern. Möglich wäre es, Treibstoffe aus dem Westen Deutschlands auf Straße oder Schiene heranzukarren. Die Belieferung dürfte in jedem Fall teurer werden, und die Preise an ostdeutschen Tankstellen könnten steigen.
Den Beschäftigten in Schwedt dürfte der Einstieg des Staats und die Umstellung auf neue Bezugsquellen einiges abverlangen. Mittelfristig steht dann ohnehin eine ganz andere Umwälzung an: Schwedt soll die Abkehr vom Öl schaffen und «grünen» Wasserstoff produzieren.