Ein Abend mit Otto Waalkes steht für eine Überforderung der Sinne.
Mit einem Sprechtempo, das nicht wenige Zuhörer überfordern dürfte, und einem Feuerwerk an Gags, das keine Zeit zum Verschnaufen lässt, verwandelt der routinierte Comedy-Altmeister auch heute noch jede Bühne in einen musikalischen Hexenkessel – «Hänsel und Gretel»-Interpretationen inklusive. Dass das ostfriesische Energiebündel bei seiner Jubiläumsshow im Audimax der Universität Hamburg am Donnerstagabend plötzlich selbst klatschend am Bühnenrand steht, liegt vor allem daran, dass er fulminante Gäste mitgebracht hat.
Audimax in Hamburg ein besonderer Ort für Otto
Für Otto hat der Abend im Audimax vor ausverkauftem Haus geradezu historische Bedeutung: Hier spielte er am 15. September 1972 ein Konzert, das den Grundstein für seine Karriere legen sollte. «Das war mein erster großer öffentlicher Auftritt», erzählt er zu Beginn des Abends, den er zusammen mit Hamburgs Beatles-Expertin Stefanie Hempel auf die Beine gestellt hatte. «Ich habe als Student in diesem Hörsaal sogar einen Kurs gehört. Später haben wir dann die Stadt mit Plakaten für mein Konzert vollgeklebt, und es sind so viele gekommen!», sagt er, ehe er ein Medley seiner bekanntesten Stücke abfeuert.
Tatsächlich finden sich an diesem Abend einige eingefleischte Otto-Fans im Publikum, die dem «Ruf der Plakate» vor genau 50 Jahren gefolgt waren. «Meine Freunde und ich fanden Otto damals schon gut, hatten ihn teils auch schon auf kleineren Bühnen gesehen. Als wir dann gelesen haben, dass Otto ins Audimax kommt, wussten wir, dass wir da hinmüssen», erinnert sich Thomas Taschel (69), der selbst damals an der Universität studierte. «Es war schon damals super voll im Saal, und er hatte auch schon damals diesen sehr engen Kontakt mit dem Publikum. Das hat sich bis heute nicht geändert», erzählt er begeistert.
Musikalische Weggefährten sind auch mit dabei
Angesichts des geschichtsträchtigen Abends überrascht es nicht, dass Otto zur Unterstützung zahlreiche seiner musikalischen Weggefährten und Freunde verpflichtet hat, um mit und für ihn diverse Beatles-Klassiker und Rock’n’Roll-Hits zu singen. Dass der Komiker dann auch noch ausgerechnet Lieder der Beatles zum musikalischen Leitmotiv des Abends erkoren habe, passe hervorragend zu seiner eigenen Karriere, merkt Stefanie Hempel auf der Bühne an – denn auch die Karriere der «Fab Four» habe erst auf den Hamburger Bühnen so richtig an Fahrt aufgenommen.
Und so spielt im Laufe des Abends Annett Louisan den Beatles-Klassiker «Blackbird», Blues-Ikone Inga Rumpf bringt mit «Get Back», der inoffiziellen Hymne des Abends, die Bühne zum Beben und Newcomer Michèl von Wussow begeistert mit seinen Interpretationen von «Come Together» und «Don’t let me down» nicht nur das Publikum, sondern auch Gastgeber Otto, der beim Klang der sandig-rauen Stimme des 27-Jährigen von der Seite der Bühne aus begeistert im Takt tanzt und klatscht.
Jan Delay singt mit Udo Lindenberg
Als das Hip-Hop-Urgestein Jan Delay dann den Song «Er wollte nach London» von Udo Lindenberg zum Besten gibt, stimmt der Panikrocker höchstpersönlich in die letzten Zeilen mit ein, um im Anschluss mit seinem Freund ihre gemeinsame Hamburg-Hymne «Reeperbahn» zu performen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hält es in dem stickigen Vorlesungssaal wirklich niemanden mehr auf den Sitzen, es wird getanzt, gefeiert und lauthals mitgesungen.
Mit dem anschließenden Gast hatte angesichts der hohen Star-Dichte des Abends dann wirklich niemand gerechnet: Mit einer Trommel unter dem Arm betritt Helge Schneider die Bühne, um danach unter ruckartigen Tanzbewegungen und hysterischen Trommelschlägen seine Liebe zu Erdnussflips zu besingen. Auch wenn es sich bei dem Werk zweifelsohne nicht um einen Beatles-Klassiker handelt, wird er vom Publikum frenetisch bejubelt, als er nach zwei Liedern seine Melodica in einem Aktenkoffer verstaut und von der Bühne hastet.
Zum Abschluss des Konzerts betritt dann nochmal Udo Lindenberg die Bühne, um mit seinem Kumpel Otto dessen Lied «Erst auf dem Heimweg wird’s hell» zum Besten zu geben. Es ist ein Moment zweier Kultur-Legenden, die eine jahrzehntelange Freundschaft eint. «Du bist ja jetzt Ehrenbürger unserer Stadt», sagt Otto. «Und du bist der Pate der deutschen Comedy», nuschelt die andere Bühnen-Legende. Dann wendet sich Lindenberg an das Publikum: «Auf die nächsten 50 Jahre! 2072 sind wir wieder dabei!»