Hohe Inflation, rapide steigende Nebenkosten für Gas und Strom und bange Blicke auf den kommenden Winter: Angesichts der Energiekrise pocht die SPD im Bundestag auf Tempo bei mehr Mieterschutz.
«Die Energiekosten steigen rasant und erhöhen den großen finanziellen Druck auf viele Mieterinnen und Mieter», sagte die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sonja Eichwede, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie will die Lasten für Mieter dämpfen und Kündigungen wegen Zahlungsrückständen verhindern. Auch Verbände der Wohnungswirtschaft wollen Kündigungen vermeiden – verweisen aber auch auf Bürden der Krise für Vermieter.
Eichwede erinnerte an die Vereinbarung der Koalitionsspitzen von SPD, Grünen und FDP bei ihren Beschlüssen zum dritten Entlastungspaket. Zum Mieterschutz hatte der Koalitionsausschuss Anfang September vereinbart, dass Mieterinnen und Mieter durch die Regelungen des sozialen Mietrechts angemessen vor Überforderung durch steigende Energiepreise geschützt werden sollen. Die im Koalitionsvertrag festgelegten Mieterschutzvorhaben müssten unverzüglich umgesetzt werden. Die Parlamentarierin zählte dazu unter anderem die Absenkung der Kappungsgrenze, bis zu der die Miete innerhalb einer bestimmten Zeit steigen darf und eine Verlängerung der Mietpreisbremse.
Nachzahlung soll Kündigung abwenden können
Gemeinden über 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen sollten zudem zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel verpflichtet werden. Eichwede will aber auch Mieter direkt besser schützen. «Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Mieterinnen und Mieter mit einer Nachzahlung der ausgebliebenen Miete eine ordentliche Kündigung abwenden können.»
Eichwede unterstützte jüngste Ankündigungen von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Sie will Mieter angesichts der rasant steigenden Strom- und Heizkosten besser vor Kündigungen ihrer Verträge wegen Zahlungsrückständen schützen. «Wir brauchen bei ordentlichen Kündigungen wegen Mietrückständen die Möglichkeit, dass die fällige Summe bis zum Auszugstermin nachgezahlt werden kann, um die Wohnungskündigung wieder aufzuheben», forderte Geywitz jüngst. Bislang gilt die Schonfristzahlung nur bei fristlosen Kündigungen.
Teile der Wohnungswirtschaft sind beim Kündigungsschutz schon vorgeprescht. «Wie schon im Zuge der Coronapandemie werden die sozial orientierten Wohnungsunternehmen auch in der Energiekrise keine Kündigungen aufgrund von Zahlungsverzug bei den Nebenkostenabrechnungen vornehmen», hatte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko kürzlich den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt.
Keiner solle wegen krisenbedingter Zahlungsprobleme seine Wohnung verlieren. In Abstimmung mit den Mietern sollten etwa Ratenzahlungen verabredet werden. Gedaschko betonte aber auch, die Folgen der Energiekrise könnten nicht mit den Mitteln des Mietrechts gelöst werden. Die Regierung solle einen Gaspreisdeckel einführen.
Vermieter verweisen auf Entgegenkommen in der Pandemie
Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) äußerte sich ähnlich. «Unsere Mitgliedsunternehmen werden kaum jemanden kündigen, weil er mit seiner Betriebskostenzahlung im Verzug ist», sagte BFW-Präsident Dirk Salewksi der Deutschen Presse-Agentur. «Eine Kündigung löst das Problem ja nicht.» Die Historie spreche für die Verbandsmitglieder. «Aus der Corona-Zeit ist uns kein Fall bekannt, bei dem Mieterinnen und Mieter wegen Zahlungsverzugs gekündigt wurde.»
Doch nicht die Vermieter würden die Energiekosten erheben, sondern die Energielieferanten, betonte Salewski. Daher sei es auch wichtig, Vermieter vor Forderungen von Energieversorgern zu schützen, wenn Zahlungen der Verbraucher ausblieben. «Um hier allzu böse Überraschungen zu vermeiden, sollte eine angemessene Erhöhung der Abschlagszahlungen auch unterjährig und ohne zusätzliche Energiekostenabrechnung verpflichtend möglich sein», so Salewski.
Der Deutsche Mieterschutzbund fordert, die Kündigung von Mietverträgen zu verbieten, «wenn diese aufgrund nicht gezahlter Nebenkosten droht». Präsident Lukas Siebenkotten ist für ein Kündigungsmoratorium wie zur Corona-Krise.
Während Corona weniger Menschen in der Bredouille als befürchtet
In der Pandemie hatte die Bundesregierung 2020 beschlossen, Mieter bei Zahlungsschwierigkeiten zu schützen. So durften Eigentümer Mietern nicht kündigen, wenn diese wegen der Corona-Krise vorübergehend nicht zahlen können. Auch gab es Mietern die Chance, Rückstände noch bis zu zwei Jahre später zu begleichen.
Tatsächlich kamen aber weit weniger Menschen bei ihren Mietschulden in die Bredouille als befürchtet. Zwar stellten Mieter- und Eigentümerverbände einen erhöhten Beratungsbedarf fest. Große Wohnungskonzerne wie Vonovia berichteten aber, dass sich nur ein Bruchteil der Mieter mit der Bitte um Stundungen an sie gewendet habe. Nach früheren Angaben des Dachverbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) lagen die Mietausfälle bei den Wohnungsunternehmen in der Corona-Krise zwischen null und zwei Prozent.