Mit der Neuinszenierung von Richard Wagners «Der Ring des Nibelungen» an der Berliner Staatsoper Unter den Linden steht die gerade beginnende Opernsaison bereits vor einem ihrer Höhepunkte. Nach neun Jahren Vorbereitung bringt das Haus vom 2. Oktober an alle vier Premieren von «Rheingold», «Walküre», «Siegfried» und «Götterdämmerung» innerhalb von einer Woche auf die Bühne. Jenseits von Bayreuth wird diese Mammutarbeit – das Werk umfasst rund 16 Stunden – meist auf mehrere Spielzeiten aufgeteilt.
Der neue «Ring» war eigentlich auch gedacht als symbolisches Geburtstagsgeschenk für Daniel Barenboim, der im November 80 Jahre alt wird. Allerdings muss der Generalmusikdirektor krankheitsbedingt das Pult frei machen. Der Dirigent Christian Thielemann, künstlerisch selbst an der Seite Barenboims groß geworden, ist kurzfristig eingesprungen. Der 63-Jährige gilt auch als potenzieller Nachfolgekandidat, wenn Barenboims Vertrag 2027 aufläuft.
Thielemann selbst will sich nicht auf eine mögliche Nachfolge festlegen. «Ich bin momentan gar nicht darauf aus, dass ich sowas in Erwägung ziehe», sagte Thielemann in Berlin. Er sei noch zwei Jahre lang Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, «und dann schauen wir mal weiter, was sich so ergibt», sagte der Dirigent.
Kalender bis 2028 gut gefüllt
Thielemann war bereits künstlerischer Leiter der Osterfestspiele in Salzburg und Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Er verwies auf seinen vollen Kalender mit Planungen bis ins Jahr 2028. «Aber das Leben spielt ja komische Spiele. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich jetzt für den Ring hier sein würde», sagte er. «Wer weiß, was sich hier tut. Ich bin ja aus Berlin.» Thielemann lebt in Potsdam. Eigentlich hätte er jetzt Urlaub gehabt. «Ich wäre jetzt Fahrrad auf Sylt gefahren.»
Die für seine Arbeit häufig notwendigen Reisen bezeichnete der Dirigent als manchmal mühsam. «Viel wichtiger als das Reisen ist es, mit Orchestern zusammenzuarbeiten, zu denen man passt. Das muss ergebnisoffen bleiben.» Er könne nicht sagen, er wolle unbedingt dahin. «Denn wenn es nicht passt, dann passt es nicht. Und wenn es passt und man mit einem Mal das Gefühl hat, oh, das könnte nett werden, dann wird sich das schon ergeben. Die Staatsoper ist ein Haus, wo man in jedem Fall sehr gerne wiederkommen würde.»
Die Zusammenarbeit vor allem mit dem Orchester bezeichnete er als «einfach formidabel. Wir haben uns sofort verstanden.» Die Staatskapelle liege musikalisch sehr auf seiner Linie. «Es ist ein präzises, dunkel spielendes Orchester, das mir unglaublich gut gefällt. Die Musiker sind unglaublich flexibel, haben ein berückendes Pianissimo.» Die Orchester in Dresden und Berlin hätten eine ganze Menge gemeinsam.
Völlig andere Aufstellung
Auch bei dem Dirigenten erfordert die kurzfristige Übernahme Flexibilität. «Die Aufstellung im Graben ist völlig anders als in Dresden oder in Bayreuth», sagte Thielemann. «Daran muss ich mich hier momentan gewöhnen, die Bläser sitzen alle rechts und die Streicher links.» Das seien aber praktische Probleme. «Ich habe nichts verändert, sondern alles übernommen. Ich habe auch letzten Endes gar nicht das Recht, die Veränderungen zu wollen. Die Erfahrungen haben sich ja offenbar als gut herausgestellt.»
Für den russischen Regisseur Dmitri Tcherniakov gab es viel Anerkennung von Thielemann. Dessen Arbeit sei «hoch beeindruckend. Er ist ein ganz großer Künstler. Er hat Ideen, die völlig nachvollziehbar sind. Es ist stringent von A bis Z erzählt», sagte Thielemann. «Wie er Gesten und Reaktionen auf bestimmte Worte choreografiert hat, das hat mich geradezu umgehauen.»
Tcherniakov scheine den «Ring» auswendig zu können. «So etwas habe ich selten erlebt, muss ich sagen – und ich habe mit vielen tollen Regisseuren gearbeitet, die die Stücke immer gut kannten. Aber bei Tcherniakov bin ich fassungslos.» Der Regisseur sei absolut unkompliziert im leichten Angleichen. «Ich glaube, wir sind ein Herz und eine Seele», sagte Thielemann. Er habe sich die Inszenierung angeschaut «und war überzeugt, dass es gut war».