Die Staatsoper unter den Linden zeigt den «Ring der Nibelungen». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Paul Zinken/dpa)

Opern von Richard Wagner (1813-1883) sind für alle Beteiligten ein hartes Stück Arbeit. Sein «Ring des Nibelungen» bringt ein Musiktheater sehr schnell an die Grenzen des Machbaren. Der Komponist sieht für die rund 16 Stunden Handlung mehr als 100 Musikerinnen und Musiker vor, zudem gut 30 Solostimmen plus Chöre.

Berlins Staatsoper Unter den Linden setzt nun noch einen drauf – und bringt nach jahrelanger Vorbereitung alle Premieren von «Rheingold», «Walküre», «Siegfried» und «Götterdämmerung» von diesem Sonntag an innerhalb von acht Tagen auf die Bühne.

Verworrenes Bühnenspektakel

Es geht um den verzweifelten, aber doch aussichtslosen Kampf einer von Göttern, Riesen, Zwergen und ein paar Menschen beherrschten Welt vor dem Untergang. Alles ist aufgebaut auf Lug und Trug, falschen Verträgen, windigen Versprechungen. Es wird gemordet, betrogen, geraubt, geschlagen, genötigt, vergewaltigt – ein umfassendes Kompendium der Kriminalität. Einen Akt lang, zu Beginn der «Walküre», flammt dann doch ein wenig Hoffnung auf wahre Liebe auf – und auch diese nur in Form von Inzucht.

Das verworrene Bühnenspektakel mit zahlreichen Rollendebüts gilt bereits als Höhepunkt der Opernsaison. Die bisher vier geplanten Zyklen sind praktisch ausverkauft. Dabei sind «Sonderpreise» in der Staatsoper angezeigt: Bis zu 1100 Euro kostet einer der besten Plätze für alle vier Abende. Der Sender rbbKultur überträgt die Premieren live im Radio, die ARD Audiothek will streamen. Der Fernsehsender Arte stellt den kompletten «Ring» im November auf seine Plattform (arte.tv/concert).

Die kompakte Präsentation jeweils innerhalb einer guten Woche ist auch dem Konzept des russischen Regisseurs geschuldet. «Dmitri Tcherniakov erzählt die Geschichte als Ganzes durch», sagte Intendant Matthias Schulz mit Blick auf das Ereignis. «Deswegen ist es natürlich auch toll, dass wir das jetzt so machen können.»

Der 52 Jahre alte Tcherniakov, für seine Inszenierungen von Bayreuth über München, Paris oder New York bis Moskau gefeiert, hat mit Daniel Barenboim, dem Generalmusikdirektor der Staatsoper, bereits etwa «Parsifal» oder «Tristan und Isolde» realisiert. Der «Ring» sollte ein Höhepunkt der lange Jahre währenden Zusammenarbeit werden – und eine Art Geschenk für Barenboim, der am 15. November 80 Jahre alt wird.

Sollte. Denn Barenboim musste das Dirigat für die ersten drei Zyklen krankheitsbedingt abgeben. Für ihn bleibt zunächst noch die Aussicht auf die vierte Folge aller vier Opernabende, die im Frühjahr des nächsten Jahres vorgesehen ist.

Per abendlichem Telefonat mit unterdrückter Rufnummer sorgte Barenboim selbst für Ersatz am Pult. Den ersten und dritten Zyklus übernimmt Christian Thielemann, als Dirigent künstlerisch selbst an der Seite Barenboims groß geworden. Der 63-Jährige gilt nicht nur ebenfalls als Wagner-Spezialist, sondern auch als potenzieller Nachfolgekandidat, wenn Barenboims Vertrag 2027 ausläuft.

Thomas Guggeis dirigiert zweiten Zyklus

Thielemann ist noch zwei Jahre lang Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, er war bereits künstlerischer Leiter der Osterfestspiele in Salzburg und Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Er selbst gibt sich bei der Berlin-Frage zurückhaltend: «Ich bin momentan gar nicht darauf aus, dass ich sowas in Erwägung ziehe.»

Für den zweiten Zyklus im Oktober übernimmt Thomas Guggeis das Dirigat. Der erst 29-Jährige hat sich an der Staatsoper vom Assistenten Barenboims zum Staatskapellmeister entwickelt. Im kommenden Jahr geht er als Generalmusikdirektor zur Oper Frankfurt.

Mit dem «Ring» der Staatsoper bekommt Berlin eine zweite Fassung von Wagners Mammutwerk. Die Deutsche Oper hat ihre Interpretation von Stefan Herheim unter Leitung von Sir Donald Runnicles im vergangenen Jahr komplettiert. Die Komische Oper als drittes großes Musiktheater hält sich bei Wagner meist zurück. Im November kommt dort allerdings «Der fliegende Holländer» auf die Bühne – oder das, was der für radikale Arbeiten bekannte Regisseur Herbert Fritsch davon übrig lässt.

Von Gerd Roth, dpa

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