Der Autozulieferer Vitesco will angesichts des Mangels an wichtigen Bauteilen seine Lieferketten stärker regionalisieren. Vorstandschef Andreas Wolf zufolge befindet sich der Antriebsspezialist im Gespräch mit den Kunden darüber, wie die Liefernetze robuster gemacht werden können – auch wenn es mehr Geld kostet. «Ganz konkret sprechen wir mit Kunden darüber, die Vorprodukte aus China beziehen, und fragen: Was würde es denn kosten, wenn man diese Vorproduktion in Europa oder in den USA direkt hätte?» sagte Wolf im Gespräch mit der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX.
Deutschland habe beim reinen Blick auf die Komponenten gegenüber anderen Ländern und Regionen einen Kostennachteil. «Ich denke aber, dass man Kosten, die man bisher nie so richtig berücksichtigt hat, dazu addieren muss – zum Beispiel unterbrochene Lieferketten und Störungen der eigenen Produktion», sagte Wolf. «Die Sicherheit der Lieferkette ist ein ganz wichtiger Hebel für uns.»
Die ehemalige Continental-Tochter leidet wie die gesamte Branche unter fehlenden Bauteilen. Die Auftragsbücher seien voll, könnten aber immer noch nicht ausreichend abgearbeitet werden. «Für die Zukunft gehe ich davon aus, dass Lieferketten stärker regionalisiert werden», sagte der Chef des Regensburger SDax-Konzerns.
Folgen der Elektrifizierung
Viele Mitarbeiter in Deutschland sind von Umbaumaßnahmen durch die Elektrifizierung betroffen. Turbolader oder Hochdruckpumpen für Einspritzsysteme hätten keine langfristigen Wachstumschancen mehr. «Entsprechende Standorte werden runtergefahren oder geschlossen», sagte Wolf. Andere Produkte seien technologisch anspruchsvoll, profitierten von der Nähe zur Entwicklung und seien auch nicht sehr lohnintensiv. »Diesen Schritt planen wir in Nürnberg.»
Vitesco baut an seinem Nürnberger Werk bis zu zwei Drittel der Stellen ab – von 1160 Arbeitsplätzen fallen gut 800 weg. «Wir können die Rahmenbedingungen wie Lohn- oder Energiekosten nicht ändern», sagte Wolf. Vitesco versuche, alle Ingenieure mitzunehmen. Relativ einfach sei die Umqualifizierung im Bereich der Elektronik. Gut 1000 Mitarbeiter seien bereits weiterqualifiziert.
«Es gibt aber auch Standorte, wie zum Beispiel in Korea, die künftig komplett mit Produkten für die Elektrifizierung gefüllt werden, obwohl sie heute noch Verbrennerkomponenten fertigen», sagte Wolf. «Dort werden wir sogar Mitarbeitende einstellen», sagte der Manager. Wie viele Mitarbeiter tatsächlich vom Umbau betroffen sein werden, sei schwer vorherzusagen. Im vergangenen Jahr hat Vitesco mit 37.000 Mitarbeitern an 50 Standorten 8,3 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet.
Derzeit gehen bei Vitesco rund 80 Prozent der Aufträge bereits für Elektroautoteile ein – das werde auch so bleiben, sagte Wolf. Beim Umsatz stehen die Elektroteile allerdings noch lediglich für rund 10 Prozent des Geschäfts. 2024 oder 2025 soll es rund ein Drittel sein, bis 2030 soll der Anteil auf über 70 Prozent anziehen.